Monopoly der Bücher

Der Buchmarkt verarmt dramatisch. Die Verkaufsflächen wachsen, das Angebot schrumpft. Ohne unabhängige Verlage keine kulturelle Vielfalt. Das Buch braucht Förderung wie andere Medien auch

VON MANFRED METZNER

Die unabhängige Literatur- und Verlagsszene ist bedroht. Die Strukturveränderungen der letzten Jahre haben in der Verlags-, Buchhandels- und Literaturlandschaft tiefe Spuren hinterlassen. Gelegentliche positive Wahrnehmung der Aktivitäten von kleineren Verlagen ändert daran nicht viel. Die immer wieder beschworenen Vorzüge der Kleineren: Mut, Risiko, Pflege der Autoren und Autorinnen, Profilierung durch Nischensicherung, sorgfältige Buchgestaltung, Entdeckerlust ändern nichts an der Tatsache, dass die Strukturveränderungen gerade die Independent-Verlage am meisten treffen: Ausdünnung des Sortiments bei kleineren und mittleren Buchhandlungen, ABC-Verlags-Kategorien (für Buchhandelsketten und Großbuchhandlungen existieren diese Verlage gar nicht, da sie nicht gelistet werden), radikale Reduzierung der Ankaufetats für Bibliotheken, mutloses Bestellverhalten. Aber dies trifft inzwischen auch die größeren unabhängigen Verlage.

Als es 2000 um den Erhalt der Buchpreisbindung ging, war die politische Argumentation gegenüber Brüssel darauf aufgebaut, dass mit der Preisbindung gesamtwirtschaftliche Vorteile entstünden, die sich kulturell auswirkten: die einmalige kulturelle Vielfalt durch ein flächendeckendes und direktes Netz von Buchhandlungen, langfristige und preisstabile Verfügbarkeit eines weltweit einmaligen Angebots, Überlebenssicherung der kleinen Anbieter auf dem Buchmarkt. Brüssel hatte sich nach langen Widerständen glücklicherweise davon überzeugen lasen. Gerne wurde damals und wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf die einmalige Vielfalt der Independent-Verlagsszene in Deutschland hingewiesen. Diese kulturell orientierten Verlage sind mehr als nur Produzenten von Büchern. Sie verkörpern Neugier, sind Motoren, Katalysatoren der Kultur, sie machen Experimente, sie sind innovativ – siehe das Engagement der „jungen“ Verlage – und sind in bestem Sinne, was dieses Land braucht: Mit literarischem Gespür, Mut zur Unabhängigkeit, Risikobereitschaft sind sie das Bollwerk gegen die auf Kurzfristigkeit, Schnelldreher, Stapelware, Verdrängung, Vermassung und Boulevardisierung des Marktes ausgerichtete Entwicklung.

Warum gibt es ein Filmförderungsgesetz und kein Literaturförderungsgesetz? Hat dies mit mehr Glamour, mehr Show und mehr roten Teppichen zu tun? Wir haben nur das blaue Band der Poesie. Auch wir haben ein Recht auf Strukturverbesserungen, die uns fit machen für die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte, die uns eine Verlags- und Buchhandelsstruktur schaffen lassen, die zukunftsfähig ist im Bewusstsein der Vielgestaltigkeit des Ganzen als bestes Mittel gegen seine Uniformierung und kulturelle Verarmung. Die Verantwortung, die uns das Preisbindungsgesetz aufgegeben hat, sollten wir ernst nehmen. (§ 1: Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturguts Buch.) Es wäre an der Zeit, dass alle Partner der Buchbranche (Leser, Autoren, Verlage, Buchhandlungen, Bibliotheken, Medien u. a.) endlich gemeinsame Ziele definieren und auch die Politik in diese Verantwortung zwingen. Eine Verlagsförderung, wie sie in anderen Ländern besteht (zum Beispiel Frankreich, Österreich), gibt es bei uns nicht. Daran ändern auch die beiden von der Kurt-Wolff-Stiftung vergebenen Verlagspreise nichts.