„Väter, sie werden satt!“

Weltstillwoche Über Babymilch-Werbeverbote und Still-Vorbilder informieren Stillberaterinnen

■ 54, ist Kinderkrankenschwester und nach internationalem Standard zertifizierte Stillberaterin am Joseph-Stift.

taz: Frau Seidel, in Ihrer Klinik kamen im vergangenen Jahr fast 2.000 Kinder zur Welt. Zeigen Sie allen den Weg zur Brust?

Claudia Seidel: Nein, ich bin ja auch gar nicht immer da. Bei uns können alle Kinderkrankenschwestern zum Stillen beraten. Ich komme dazu, wenn es Probleme gibt.

Passiert das oft?

Ja, sehr oft. Viele sind einfach am Anfang unsicher. Gerade die Väter machen sich Sorgen, ob das Kind wirklich satt wird.

Und was sagen Sie denen?

Dass sie sicher sein können, dass genug Milch da sein wird und es normal ist, dass Babys am Anfang erst einmal abnehmen und acht bis zehn Prozent ihres Geburtsgewichts verlieren.

Und wenn es mehr sind?

Dann raten wir dazu, vorübergehend Milchersatznahrung zuzufüttern, das ist eine medizinische Indikation.

Verteilen Sie Proben von Säuglingsmilch?

Nein. Früher erhielten Eltern ja ganze Taschen mit Babyprodukten, so etwas gibt es nicht mehr.

Herstellern ist sogar gesetzlich verboten, Milchersatznahrung als gleichwertig gegenüber Muttermilch darzustellen. Halten die sich daran?

Leider unterlaufen viele das Werbeverbot immer wieder. Wir sind aber im Gesundheitssystem mittlerweile sehr sensibilisiert für das Thema. Wir etikettieren die Ersatznahrung zwar, weil die Eltern wissen müssen, was sie füttern, aber wir wechseln regelmäßig den Hersteller und empfehlen für zu Hause verschiedene Produkte. Es gibt ja auch Frauen, die einfach nicht stillen wollen, das müssen wir respektieren.

Nach einer Bremer Studie stillen vor allem junge und bildungsferne Frauen seltener und kürzer.

Ja, denen fehlt es einfach an Vorbildern. Eigentlich müsste man schon in der Grundschule in der Gesundheitserziehung über das Stillen sprechen.

Oder in Fernsehserien stillende Mütter zeigen?

Das wäre großartig. Auch in Zeitschriften vermisse ich solche Bilder. Aber hinter dem Stillen steht anders als bei der Säuglingsnahrung keine große Industrie, die mit viel Geld dafür sorgt, dass ihre Produkte gekauft werden.

INTERVIEW: EIB

Weltstillwoche: bis 8. 10. Vorträge für Väter, Mütter, Großeltern, ErzieherInnen. Termine unter bremen.de/36888185