Zwei Windräder setzen Zeichen

OSTWIND Die einzigen Windenergieanlagen Weißrusslands stehen im Örtchen Druschnaja. Die Betreiber hoffen darauf, dass vielleicht schon bald neue Projekte folgen werden

Die Windenergieanlagen wurden von der weißrussischen Politik lange schlechtgeredet

VON DIERK JENSEN

Weite Felder, große Wälder, schweigende Seen. In dieser Landschaft drehen sich zwei Windenergieanlagen im weißrussischen Dorf Druschnaja seit zehn Jahren unermüdlich im Wind. Sie erzeugen grünen Strom für mehr als 700 Haushalte. Trotzdem sind die zwei Anlagen von den deutschen Herstellern Repower und Nordex nach wie vor die einzigen in Weißrussland, also in jenem Land, das am meisten unter der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gelitten hat und wo bis heute weite Teile des Landes radioaktiv verstrahlt sind. „Wir wollten mit dem Bau der Windenergieanlagen ein deutliches Zeichen setzen, dass erneuerbare Energien eine echte Alternative zu Atomkraft sind und dass sie wirtschaftlich auch etwas bringen“, sagt Dietrich von Bodelschwingh. Er hat zusammen mit seiner Frau Irmgard und anderen Mitstreitern unmittelbar nach dem Zusammenbruch der alten Sowjetunion die Hilfsorganisation Heim-statt Tschernobyl gegründet. Der Verein hat seither für viele Umsiedler aus den verstrahlten Gebieten in den unverstrahlten Norden Weißrusslands, in den Dörfern Druschnaja und Stari-Lepel, bereits über 50 Häuser in Lehmbauweise errichtet. Aus diesem Engagement heraus entstand dann Ende der 90er-Jahre auch die Idee, mit den Windenergieanlagen ein neues Kapitel in der weißrussischen Energiewirtschaft aufzuschlagen.

Obwohl Weißrussland weit ab von der Ostsee liegt und von der Topografie ein flaches Land ist, weht in Druschnaja ein Wind von durchschnittlich 5 Meter pro Sekunde. Dieser Wert reicht, um in Deutschland eine Anlage wirtschaftlich betreiben zu können. Allerdings gibt es hierzulande das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das einen festen, kalkulierbaren Stromtarif über eine Laufzeit von 20 Jahren gewährt. Dies ist im autokratisch regierten Weißrussland unter Alexander Lukaschenko nicht der Fall. Stattdessen handelten die Initiatoren von Heim-statt Tschernobyl beziehungsweise ihrem weißrussischen Partnerunternehmen Ökodom Stroj mit dem regionalen Energieversorger einen speziellen Einspeisetarif aus. Danach bekommen die Windstromerzeuger aus Druschnaja für die erzeugte Kilowattstunde immer das Doppelte von dem, was die Industrie als Verbrauchspreis zahlt. „Bis jetzt hat der Energieversorger immer pünktlich gezahlt“, freut sich von Bodelschwingh.

Allerdings wurden die beiden Windenergieanlagen, die von einheimischen Technikern gewartet werden, von der weißrussischen Politik, wie Bodelschwingh sagt, viele Jahre lang systematisch schlechtgeredet.

„Viel zu teuer“, schimpfte die Politikelite in Minsk und verwies auf den vermeintlich billigen Atomstrom aus dem inzwischen abgeschalteten litauischen Atomkraftwerk Ignalina sowie auf günstiges Öl und Gas vom großen Nachbarn Russland. Kein Wunder, dass in der Vergangenheit in Weißrussland weder ein Windenergieboom noch ein Aufwind für die gesamte Palette der erneuerbaren Energien einsetzte. Bezeichnenderweise lehnte die Regierung die Initiative von Ökodom Stroj brüsk ab, ein altes Wasserkraftwerk zu reaktivieren. Noch viel schlimmer ist aber die Tatsache, dass die Lukaschenko-Administration gegen die Verschwendung von Wärme im veralteten Wohnungssektor so gut wie gar nichts unternommen hat.

Doch scheint die graue und behäbige Ära der atomar-fossilen Energieerzeugung auch in Weißrussland zu Ende zu gehen. Seitdem die Russen den Gashahn zudrehen, wenn die ehemaligen Brüder nicht bereit sind, nach Marktpreisen zu zahlen, setzt ein zähes Umdenken in der Minsker Machtzentrale ein.

Die extrem hohe Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland zwingt sie zum Handeln, zumal der Import einen weitersteigenden Teil des Bruttoinlandsprodukts verschlingt. Deshalb will man jetzt im waldreichen Weißrussland, in dem der Holzzuwachs seit vielen Jahren um ein Drittel höher liegt als die Entnahme, vor allem Restholz für die Erzeugung von Wärme nutzen. Die Absicht ist, mit vielen modernen Holzfeuerungsanlagen den Anteil der Biomasse am Primärenergieverbrauch um ein Wesentliches anzuheben. Ebenso wird über den Anbau von Energiepflanzen für die Produktion von Ethanol und Diesel nachgedacht. Auch überlegt die weißrussische Energiewirtschaft, für den früher viel gescholtenen Windenergiebereich eine eigene Produktion aufzubauen.

Ob dies allerdings von Erfolg gekrönt sein wird, ist zweifelhaft, weil sich eine Reihe von Testanlagen mit Vertikalrotoren kurz nach ihrer Errichtung in Einzelteile zerlegte. Ganz abgesehen davon liegen in den Schubladen der Regierung immer noch Pläne für den Bau eines neuen Atomkraftwerks im Norden des Landes. Experten gehen jedoch davon aus, dass es nie zum Bau kommen wird. Gut so.