Ein Bild des Jammers

GANZ UNTEN Eintracht-Coach Torsten Lieberknecht weiß nach der 0:4-Niederlage gegen Stuttgart nicht mehr weiter, doch die Braunschweiger Vereinsführung und Fans stützen den 40-Jährigen

„Ich will nicht sagen, dass ich ratlos bin. Aber es fällt mir schwer, Worte zu finden“

TORSTEN LIEBERKNECHT

AUS BRAUNSCHWEIG CHRISTIAN OTTO

Dieses ernste Gespräch unter Männern, das ein weinerlicher Auftritt des Trainers notwendig gemacht hatte, wird ihnen natürlich als „Krisengipfel“ ausgelegt. Es war aber nur ein weiterer Versuch von Torsten Lieberknecht, mit menschelnden Methoden irgendwie doch zum Erfolg zu kommen. „Ich war schon ein wenig verblüfft. Aber unser Trainer genießt zu 100 Prozent das Vertrauen“, sagte Marc Arnold, der als Sportdirektor von Eintracht Braunschweig einen arbeitsreichen Montag verbringen durfte. Lieberknecht hatte nach der 0:4-Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart einen desolaten Eindruck hinterlassen und sich selbst in Frage gestellt. „Ich habe den Spielern gesagt, dass ich ihnen im Moment nicht helfen kann“, gestand der Trainer, der es nach fünf erfolgreichen Jahren in Braunschweig nicht gewohnt ist, mit Niederlagen und Rückschlägen umzugehen.

Es war ein Bild des Jammers, das Lieberknecht während der offiziellen Pressekonferenz und bei seinen weiteren Erklärungen danach abgegeben hatte. „Diese Niederlage ist schwer zu ertragen. Ich bin schwer ins Grübeln gekommen. Und es ist normal, wenn andere auch ins Grübeln kommen“, lautete der Kommentar eines Mannes, den sein Team in der Bundesliga eigentlich als klugen und mutigen Vordenker benötigt. Neben Lieberknecht standen Vereinspräsident Sebastian Ebel und Sportdirektor Arnold. Beide sahen sehr überrascht aus und mussten offenbar fürchten, dass ihr bei den Spielern und Fans so beliebter Trainer gleich den Schlüssel für den Dienstwagen zurückgibt und um die Aushändigung seiner Arbeitspapiere bittet.

Die Braunschweiger sind auf dem besten Weg, eine wirklich miese Saison hinzulegen. Sie haben nach sieben Spieltagen erst einen Punkt erkämpfen können und gerade einmal zwei Tore selbst erzielt. Schlechter ist in der Geschichte der Liga noch keine Mannschaft in eine Saison gestartet. Bei der Heimpleite gegen die spielstarken Stuttgarter war der Aufsteiger erneut an seine Grenzen gestoßen. Lieberknecht hatte eine offensive Taktik gewählt. Warum er an der Erkenntnis, dass auch diese Maßnahme nicht gegriffen hat, so sehr verzweifelt, wird sein Geheimnis bleiben. „Ich opfere mich seit 2008 Tag und Nacht für diesen Verein auf. Ich will nicht sagen, dass ich ratlos bin. Aber es fällt mir schwer, Worte zu finden“, sagte der 40-Jährige mit traurigem Blick.

Zumindest eines klappt in Braunschweig regelmäßig. Lieberknecht gelingt es, mit mal wütenden und dann wieder sehr emotionalen Auftritten, von der Schwäche seiner Mannschaft abzulenken. Er hält die schützende Hand über Spieler. Weil sich die Eintracht-Elf in der Schlussphase der Partie ihrem Schicksal ergab und der ernüchterte Trainer auch nicht mehr eingriff, waren wie schon gegen Borussia Mönchengladbach und den Hamburger SV vier Gegentore die Folge. „Wir sind emotional und mit Leidenschaft dabei. Aber so wird das eine schwere Nummer“, meinte Mittelfeldspieler Bellarabi.

Die Profis der Eintracht werden es ihrem Trainer nicht mehr lange zumuten können, dass er sich in der Öffentlichkeit zum Deppen macht, um ihre Schwächen zu übertünchen. Die Vereinsführung hat ihre Einschätzung bereits abgegeben. Lieberknecht, so hat es Sportdirektor Arnold nach dem 7. Spieltag vorgerechnet, genießt die volle Rückendeckung. Und die Mehrheit der 22.760 Zuschauer, die die Eintracht am Sonntagabend verlieren und leiden sah, hat den Spaß auch noch nicht verloren. Mit Sprechchören und stehenden Ovationen, die an die Zustände in einem englischen Fußballstadion erinnern, feierte die Kundschaft den Gastgeber.