Teil des Spiels

STADTTEILPORTRÄT Die Dokumentation „Die Wilde 13“ kocht im eigenen Saft

Der Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ist aus Sicht des Senats ein sogenannter sozialer Brennpunkt, die Bevölkerung ist arm, es gibt verwahrloste Hochhaussiedlungen, über 73 Prozent der Jugendlichen im Stadtteil haben einen Migrationshintergrund. Zugleich hat der Stadtteil einen gewissen Glamour entwickelt, eine Anziehungskraft für Künstler und Kreative, die es inspirierend finden, mit Menschen aus aller Welt zusammenzuleben. Und die es schätzen, dass es hier noch den einen oder anderen Freiraum gibt.

Die berühmteste Buslinie in Wilhelmsburg ist die mit der Nummer 13: Sie fährt quer durch den Stadtteil und ist damit unweigerlich Treffpunkt der Wilhelmsburger. Der „Wilden 13“, so der Spitzname der Linie, haben Kerstin Schaefer und Paul Spengemann eine gleichnamige Dokumentation gewidmet.

Der Bus bildet die Klammer für Porträts von Wilhelmsburgern wie dem Kulturveranstalter Mathias Lintl, der Fotografin Julie Nagel, dem 18-jährigen Fußballer Baris Kilic oder dem Rentner und Stadtführer Peter Falke. Es ist der Versuch, durch wenige Schlaglichter zu zeigen, wie besonders und liebenswert der Stadtteil ist.

Die Porträts des sympathisch-kauzigen Rentners oder des zwischen den Kulturen stehenden Türken sind gut gemeint. Interessanter, weil konfliktträchtiger wäre aber die Frage, welche Rolle die Kulturschaffenden für Wilhelmsburg spielen: Sind sie diejenigen, die die Gentrifizierung im Stadtteil lostreten? Die Frage taucht in dem Film kurz auf, wird aber nicht weiter vertieft. Es ist eine unangenehme Frage für die Filmemacher, deren Wilhelmsburger Produktionsfirma selbst Teil des Spiels ist.

Aber auch als reine Liebeserklärung bleibt „Die Wilde 13“ an der Oberfläche. Immer wieder zeigt die Kamera Fahrgäste im Bus von hinten, zeigt ihre Kopftücher, Frisuren und Mützen. Dem Alltag dieser Leute kommt der Film nicht nahe. Er bleibt im Kosmos der Kreativszene und ihrer Freunde.  KLAUS IRLER

„Die Wilde 13“: Filmfest Hamburg, 3. 10., 17 Uhr, Passage-Kino, Hamburg; NDR-Fernsehen, 13. 10., 11.30 Uhr und 17. 10., 24 Uhr