AMERICAN PIE
: Der Spielertrainer

FOOTBALL Payton Manning, bereits 37, macht seine Denver Broncos mit spektakulären Auftritten zum Titelfavoriten

John Fox ist ein glücklicher Mann. Nicht nur zahlen ihm die Denver Broncos 3,5 Millionen Dollar pro Jahr, um ein Footballteam zu trainieren. Nicht nur hat diese Football-Mannschaft die ersten vier Spiele der Saison gewonnen. Nicht nur waren alle diese Erfolge scheinbar leicht und locker herausgespielte Kantersiege. Darüber hinaus ist John Fox gut erholt, denn seine gut dotierte Stelle in Denver ist eigentlich nur noch ein Halbtagsjob.

Fox ist zwar offiziell Cheftrainer, aber bei Lichte besehen bloß noch für die Verteidigung und Special Teams der Broncos verantwortlich. Im Angriff hat dagegen Peyton Manning das Kommando übernommen: Der Quarterback spielt nicht nur überragend, sondern bestimmt auch selbstverantwortlich, wo es langgeht in Denvers Offensive.

Das ist ganz und gar nicht selbstverständlich. Die Quarterbacks sind zwar meist die Stars ihrer Mannschaften, aber eigentlich doch nur Marionetten ihrer Trainer, die ihnen die Spielzüge per Funk aufs Spielfeld schicken. Die besten in der Branche erhalten überschaubare Freiheiten, aber bleiben doch Schachfiguren, die von den Coaches übers Spielfeld dirigiert werden.

Eine Rolle, mit der Manning sich in seiner einmaligen Karriere noch nie begnügt hat. Er entscheidet auf dem Spielfeld nach einem Studium der Verteidigungsformation selbst, welcher Spielzug zur Aufführung gelangt. Nach jedem Spiel leitet er eine Videoanalyse-Sitzung, in der er mit seinen Mitspielern und ohne Trainer das vergangene Spiel auf Fehler untersucht. Manning, mittlerweile 37 Jahre alt, nach einer langwierigen Nackenverletzung, wegen der er 2011 ein ganzes Jahr aussetzen musste, körperlich wieder voll auf der Höhe, übernimmt in Denver Aufgaben, für die eigentlich der Trainerstab zuständig ist. Und das mit großem Erfolg.

Am vergangenen Sonntag wurden die Philadelphia Eagles mit 52:20 abgefertigt – so viele Punkte hatten die Broncos in ihrer 53-jährigen Geschichte noch nie erzielt, auch nicht zu Zeiten des legendären John Elway. In den ersten vier Spielen sind Manning trotz seines für einen Football-Profi biblischen Alters bereits 16 Pässe gelungen, die zu Touchdowns führten, während kein einziger Pass von einem Gegner abgefangen werden konnte. Das ist bislang noch keinem Quarterback gelungen. Sollte das so weitergehen, hätte Manning am Ende der Saison 64 Touchdown-Pässe auf dem Konto. Noch hält den Rekord Tom Brady von den New England Patriots, dem gelangen 50 Touchdown-Pässe im Jahr 2007. Nicht nur Steve Mariucci, früher selbst erfolgreicher NFL-Coach und mittlerweile TV-Experte, findet das, was die Broncos aktuell aufs Feld zaubern, „verrückt, ja absurd“. Nur Verletzungen, so scheint es, könnten die Broncos auf ihrem Weg zu einem Super-Bowl-Sieg noch aufhalten. Es wäre der zweite für Manning nach seinem Erfolg mit den Indianapolis Colts vor sieben Jahren – und er könnte endlich mit seinem kleinen Bruder Eli gleichziehen, der mit den New York Giants schon zweimal das Endspiel gewinnen konnte.

Darauf deutet nun alles hin. Denn Manning war zwar schon immer ein Quarterback, der sich akribisch vorbereitete, stundenlang Videostudien des Gegners betrieb und meist mehr Ahnung von Football hatte als seine Trainer. Aber niemals zuvor hatte Manning solch talentierte Mitspieler. Eine sehr gute Offensive Line blockt die gegnerische Verteidigung so souverän, dass Manning alle Zeit der Welt bleibt, seine pfeilschnellen und fangsicheren Passempfänger zu bedienen.

Peyton Manning macht sich trotzdem Sorgen. Zum Beispiel um Thunder. Der ist ein weißer Wallach, der im Mile High Stadium in Denver nach jedem Touchdown der Hausherren eine Runde ums Spielfeld drehen muss. Nach dem vorerst letzten Offensiv-Spektakel gegen Philadelphia konnte sich selbst der sonst extrem geschäftsmäßige Manning einen Scherz nicht verkneifen: „Mal sehen, ob wir noch einen Infusionsbeutel übrig haben für den guten, alten Thunder.“

THOMAS WINKLER