Vor Ort
: MIRIAM BUNJES über den rheinischen Kampf gegen den globalisierten Kapitalismus

Inzwischen kämpfen sie zu viert. Und das ist erst der Anfang – davon ist Paul Schmitz-Kröll, Bürgermeister von Übach-Palenberg überzeugt. „Schämen sollen die sich“, sagt er. Und: „Denen zeigen wir‘s“. „Die“ haben ihre Zentrale im fernen Seoul, nennen sich Lucky Goldstar oder „LG“ und haben einen jährlichen Umsatz von 73 Billionen Dollar und weltweit 120.000 Mitarbeiter. „Wir“ sind die Städte Übach-Palenberg, Herzogenrath und Alsdorf, die Kreise Heinsberg und Aachen und prominent vorreitend auch die Stadt Aachen. Sie boykottieren Lucky Goldstar – wollen so lange keine LG Electronics-Produkte anschaffen, bis der Großkonzern den entlassenen 400 MitarbeiterInnen der insolventen Aachener LG Phillips Glasbildröhrenfabrik eine Abfindung zahlt.

Richtig viel hätten sie allerdings ohnehin nicht gekauft. „Die Stadtverwaltung sowieso nicht, aber die Schulen hätten sich vielleicht neue Fernsehschirme geholt“, sagt Übach-Palenbergs Bürgermeister. Elf Schulen, elf Fernsehgeräte, da macht Lucky Goldstar einen Verlust von „tausend Euro“, sagt der Bürgermeister der 25.000-Einwohner-Stadt. „Das ist nichts für die, klar, aber durch unser Beispiel kommen auch Bürger auf die Idee, von denen nichts zu kaufen.“

Oder andere Kommunen. Schließlich hat der Aachener Gewerkschaftsbund sie alle angeschrieben und um Solidarität gebeten. Denn der koreanische Weltmarktführer verhandelt nicht über die Sozialpläne für die entlassenen Beschäftigten.

Die Fabrik für Bildschirmröhren ist seit Ende Januar insolvent. Wegen der Pleite soll der zuvor ausgehandelte Sozialplan hinfällig sein, hatte die Werksleitung des Joint Ventures aus LG Electronics und Phillips der Belegschaft mitgeteilt.

Mutterkonzern Phillips will, nachdem die Beschäftigten die Werkstore des benachbarten Phillipsglühlampenwerkes besetzten, jetzt doch 50 Prozent der Abfindungssumme zahlen. Die zweite Mutter Lucky Goldstar zieht da nicht mit.

„Dabei sind Sie Haupt-Sponsor der Fußballweltmeisterschaft“, empört sich Michael Sommer vom Aachener Gewerkschaftsbund (DGB) in einem Brief an LGs deutsche Niederlassung. Außerdem hätten die Angestellten auf Lohnerhöhungen und Weihnachtsgeld verzichtet und dazu noch länger als tariflich vereinbart gearbeitet – alles, um die Fabrik vor der Pleite zu retten, erklärt der DGB. Die Gewerkschaft fordert neun Millionen Euro zur Finanzierung von Abfindungen und eine Transfergesellschaft für die Entlassenen. Auf eine Antwort sie bis heute.

Für Übachs Bürgermeister Paul Schmitz-Kröll ist es deshalb „Ehrensache“ beim Boykott mitzumachen. „Solche Methoden wollen wir nicht“, sagt der SPD-Mann. „Es ist ja schlimm genug, das die Leute arbeitslos geworden sind. Dass sie dann auch noch übers Ohr gehauen werden, sollten wir nicht auf uns sitzen lassen.“

Der eine oder andere Übacher will sich zu Weltmeisterschaftszeiten bestimmt einen neuen Fernseher kaufen, glaubt der Stadtchef. „Da geben wir eine angemessene Kaufempfehlung.“