heute in Bremen: „Der Sohn dem nie gekannten Vater“
István Kárpáti wird heute um 11 Uhr in der Bromberger Straße 117 den 38. Stolperstein zur Erinnerung an NS-Opfer verlegen
taz: Welche Anhaltspunkte hatten Sie auf der Suche nach Ihrem Vater, dessen Stolperstein heute eingeweiht wird und den Sie nie kennen gelernt haben?
István Kárpáti: Mein Vater László Schächter ist 1944 von Budapest deportiert worden. Erst einige Jahre nach dem Krieg erfuhren wir über den Suchdienst des Roten Kreuzes, dass sein Ehering im Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg gefunden wurde. Dort wurde uns mitgeteilt, er sei auf dem Riensberger Friedhof begraben.
Der Stolperstein wird aber nicht am Riensberg, sondern in der Bromberger Straße verlegt.
Ja, denn erst in Bremen erfuhren wir, dass eine Verwechslung mit einem anderen Herrn Schächter vorlag. Mein Vater wurde von Neuengamme in das Außenlager Schützenhof, heute in der Bromberger Straße, gebracht. Mit der Auflösung dieses Konzentrationslagers im April 1945 wurden die jüdischen Gefangenen auf die Todesmärsche nach Bergen-Belsen geschickt – dort verliert sich die Spur.
Wie haben Sie von den „Stolpersteinen“ des Künstlers Gunter Demnig erfahren?
Ich hatte 2003 selbst eine Fotoausstellung in Bremen. Über Henning Scherf, der zur Eröffnung kam, erfuhr ich von dem Projekt.
Ihr Vater ist Opfer der Nationalsozialisten, aber im Gegensatz zu den übrigen „Stolpersteinen“ kein Bremer Bürger.
Das stimmt, aber er steht stellvertretend für die anderen Häftlinge von Neuengamme und dem Schützentor. Außerdem wird der Mord an 600.000 ungarischen Juden in Ungarn bis heute weitgehend totgeschwiegen.
Fragen: Jessica Riccò
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