KOMMENTAR VON BERND PICKERT ZUM POLITISCHEN STILLSTAND IN DEN USA
: Weiter so, Republikaner!

Der Politikbetrieb in Washington ist verrottet, korrupt und politikunfähig

Das meinen US-Politiker normalerweise nicht, wenn sie vom American exceptionalism sprechen, von der Ausnahmestellung der USA in der Welt. Aber recht hätten sie trotzdem. Kein anderes Land in der Welt ist so dumm: Wegen politischer Streitigkeiten im Parlament zwingen sie ein Drittel des Staatsapparats dazu, die Arbeit einzustellen, sie fügen der eigenen Wirtschaft Milliardenverluste zu und gefährden eine nur langsam wieder in Gang kommende Konjunktur. Die Vereinigten Staaten sind eine echte Ausnahme.

Vermutlich werden sich der demokratisch dominierte Senat und das republikanisch kontrollierte Repräsentantenhaus in den nächsten Tagen irgendwie verständigen – wie, wird davon abhängen, wem ein Einlenken bei eigener Wählerschaft und Geldgebern mehr schaden würde.

Strukturell gesehen aber dokumentiert der gesamte Vorgang einmal mehr, wie verrottet, korrupt, politik- und vor allem reformunfähig der Politikbetrieb in Washington inzwischen geworden ist. Die gewählten Abgeordneten kommen gar nicht auf die Idee, etwas anderes als ihren unmittelbaren Vorteil im Kopf zu haben. Wer mit politischer und finanzieller Unterstützung der Tea Party ins Repräsentantenhaus gewählt wurde und jetzt einknickt, muss fürchten, dass schon im kommenden Jahr ein neuer radikalerer Kandidat bei den republikanischen Vorwahlen vorgezogen wird. Jene weitsichtigeren Republikaner im Senat, die zwar auch gegen Obamas Gesundheitsreform sind, die Versuche aber ablehnen, jenes vom Parlament verabschiedete Gesetz nun bei jeder neuen Haushaltsrunde kippen zu wollen, gelten in konservativen Kreisen als sellouts, als Verräter, die ihre Seele verkauft haben. So behalten die Verantwortungslosen im Namen der „Prinzipientreue“ die Oberhand. Das System von checks and balances, das Regierung, Senat und Repräsentantenhaus zu Kompromissen zwingen soll, wird ausgehebelt, wenn die Amtsträger zu Kompromissen nicht fähig sind. Ein Ausweg ist nicht in Sicht.

Die Zeche zahlen die Armen und die Mittelschicht. Die obersten 10 Prozent haben die Krisenjahre unbeschadet überstanden, ihren Anteil am US-Nationaleinkommen konnten sie sogar auf über 50 Prozent steigern, wie eine jüngst veröffentlichte Studie zeigt. Weiterkämpfen, Republikaner! Da ist noch mehr drin.