FALSCHE AUSSPRACHE GEHÖRT ZUM GUTEN TON
: Fremdsprachen? Nö!

Es hat Jahre gedauert, bis ich in der Lage war, in Spanien eine englischsprachige CD zu kaufen, die ich im Radio gehört habe. „Vallecas-Englisch“ nennt der Angestellte in einem der großen Medienkaufhäuser, der aus ebenjenem Madrider Arbeiterstadtteil kommt, wie im Radio Gruppennamen und Titel ausgesprochen werden. Die englischen Vokabeln werden gelesen, als wären es spanische Wörter. Bei Doppelkonsonanten verschwindet meist einer der beiden, das H von Heavy Metall wird zu einem kratzenden Ch, vor St oder Sp wird ein E eingefügt, wie bei „Rolin Estones“.

Besser verständlich wird es, wenn der Radiosprecher zur Übersetzung greift. AC/DC wird auf Spanisch buchstabiert, was sich dann wie Asé Desé anhört, und U2 geht als „U Dos“ über den Äther. Und wenn ein Lied von „El Jefe“ angekündigt wird, handelt es sich meist um „Nacido en Estados Unidos“ von einem Herrn Espringsteen aus „Nueva Jersi“.

Wer tatsächlich verstanden hat, was der Sprecher da sagt, muss dies dann im Laden genauso wiederholen. Sonst gibt es keine CD. Mischt sich das „Espaninglish“ mit einem ausländischen Akzent, wie es bei mir der Fall ist, bleibt eigentlich nur der Weg der Onlinebestellung.

Doch auch im Computer treibt das Spanisch Blüten. Selbstverständlich werden alle englischen Fachausdrücke übersetzt. So wird die E-Mail umgangssprachlich zu Emilio, was dem deutschen Namen Emil entspricht. Der TV-Sender Telecinco macht aus der Not eine Tugend. Der Privatsender hat die Lizenz für die US-amerikanische Show „Wipe Out“ gekauft. „Guaypaut“ schreiben sie den Programmtitel.

Laut der jüngsten Studie des staatlichen Soziologieinstituts (CIS) haben 63,1 Prozent der spanischen Bevölkerung überhaupt keine Englischkenntnisse. Nur 22,9 Prozent geben an, ein Gespräch auf Englisch führen zu können. Gerade mal 8 Prozent der Erwachsenen lernen eine Fremdsprache. Darunter befinden sich auch diejenigen, die in einer zweisprachigen Region leben und Katalanisch, Baskisch oder Galicisch studieren.

Trotz der Ablehnung des Englischen, oder gerade deshalb, haben die Spanier in den letzten Jahren die USA als Reiseziel entdeckt. „Ich kam perfekt mit Spanisch durch“, erzählen sie dann zu Hause zufrieden. Denn die Hispanos sind in mehreren Bundesstaaten auf dem besten Weg, zur größten Minderheit zu werden. Die spanische Königliche Sprachakademie feiert diese Entwicklung Jahr für Jahr mit aktuellen Statistiken. Die Presse berichtet mit Begeisterung und Genugtuung, waren es doch die USA, die dem spanischen Weltreich den endgültigen Todesstoß versetzten.

Wer zu den 22 Prozent gehört, die ein Gespräch auf Englisch führen können, versteckt dies meist. Denn wer korrekt Sting statt Estin sagt, gilt als eingebildeter Schnösel. Falsche Aussprache gehört zum guten Ton. REINER WANDLER