Die Grenzen sind fließend

Wieso kann an einem Flughafen überhaupt ein rechtsfreier Raum entstehen?

VON SEBASTIAN HEISER

Was für eine hohle Fiktion so ein Staatsgebiet eigentlich ist, zeigte die Geburt des jugoslawischen Thronprinzen Aleksandar 1945. Seine Eltern waren damals im Exil in London, und für den Tag seiner Geburt trat Winston Churchill die Suite 212 des Hotels Claridge’s an Jugoslawien ab. So war sichergestellt, dass der Kronprinz nicht im Ausland, sondern auf heimischem Boden geboren wurde. Und das Vereinigte Königreich zeigte, welch heiteren Schabernack ein Staat mit sich selbst treiben kann.

Ähnlich prinzipienlos, aber mit ungemein härteren Folgen, geht die Bundesrepublik Deutschland vor. Hier wurde in den neunziger Jahren mit dem „Asylkompromiss“ zwischen Union und SPD festgelegt, dass auf dem bisherigen Staatsgebiet grundrechtsfreie Zonen gebildet werden. Daran ändert auch die Belegung des Flughafenknasts mit „regulären“ Asylbewerbern in Brandenburg wenig.

Rechtsfreie Käseglocke

„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, so steht es in der Verfassung. Doch für viele Flüchtlinge, die am Flughafen ankommen, gilt das nicht. Wenn sie auf eine Landkarte schauen, dann könnten sie denken, sie seien mitten in Deutschland angekommen. Aber um diese Flüchtlinge herum ist eine unsichtbare Käseglocke – eine Fiktion, genau wie die Grenze zwischen dem Vereinigten Königreich und Jugoslawien auf der Schwelle zu Hotelzimmer 212.

Innerhalb dieser Käseglocke existiert das Grundrecht auf Asyl nicht. Brandenburg hat den Finger in die Wunde gelegt. Gelöst ist das Problem aber nicht.