Die Heimat wechselt alle Viertelstunde

ALLTAG „16x Deutschland“ wirft dokumentarische Blicke auf die Bundesländer (Sa., So., 16 Uhr, ARD)

Der Regisseur Andreas Dresen hat ebenso mitgemacht wie die Moderatorin Sandra Maischberger

Größere Dokuprojekte, die nah dran sind am Alltag normaler Menschen und mit dem Begriff der Heimat spielen, sind recht beliebt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Mit „24 h Berlin“ ging es 2009 auf RBB und Arte los, es folgte unter anderem „Der Tag der Norddeutschen“ beim NDR. Im Jahr 2015 droht in der ARD auch noch eine Themenwoche „Heimat“. In diesem Kontext ist die Reihe „16xDeutschland – Menschen – Orte – Geschichten“ zu sehen, zu der alle ARD-Anstalten beigetragen haben.

Die Filme laufen an diesem Wochenende, verteilt auf zwei Nachmittage: 16 Autoren widmen sich eine Viertelstunde lang jeweils einem Bundesland. Darunter sind etablierte Kräfte wie Andres Veiel und Andreas Dresen, Talente wie Rosa Hannah Ziegler, Prominente, die zwar schon als Filmemacher in Erscheinung traten, aber aus anderen Gründen bekannt sind – Sandra Maischberger –, sowie Prominente, die hier zum ersten Mal hinter der Kamera standen. Dazu gehören die Kommissarsdarsteller Charly Hübner und Udo Wachtveitl, dessen bemüht humoriger Film über Bayern beweist, dass eine Viertelstunde sehr lang sein kann. Johannes Unger, der Projektleiter vom RBB, sagt, man habe den Autoren maximale Freiheit gelassen. Betont man das, weist man indirekt auch darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen für Autoren sonst weniger angenehm sind.

Die Protagonisten von „16x Deutschland“ sind mal Helden des Alltags – Andres Veiel etwa porträtiert den ältesten Fahrlehrer Baden-Württembergs –, mal spielen auch die Macher selbst eine zentrale Rolle. Die deutsch-koreanische Regisseurin Sung-Hyung Cho, bekannt geworden mit „Full Metal Village“, erzählt in einem abwechslungsreichen Film die Geschichte ihrer Einbürgerung. Und davon, dass getrennte Kühlschränke eine Voraussetzung sind für eine funktionierende Ehe mit einem Anhänger deutscher Hausmannskost. Dabei greift sie auf Trickfilmsequenzen zurück.

In anderen Fällen geht es um gesellschaftliche Phänomene: um das Verschwinden der Landgasthöfe in Schleswig-Holstein (Regie: Lars Jessen/Rocko Schamoni) und um den Neonazismus in Mecklenburg-Vorpommern bei Hübner. Die braune Szene habe sich in der Region „auf einer Subebene stabilisiert, auch wenn sie nach der Wende viel präsenter war in ihrer Schrillheit“, sagt Hübner, der unter anderem Monchi, den Sänger der Antifa-Band Feine Sahne Fischfilet, interviewt hat. Deren von Hübner verwendeter Song „Weit hinaus“ lässt sich als Hommage an das Bundesland interpretieren: „Ich sitze hier mir Freunden und fühle mich so wohl. Und was es umso schöner macht, es liegt nicht nur am Alkohol.“ Es ist bedauerlich, dass ein so reflektierter Film unter dem dumpfen Label „16x Deutschland“ verkauft wird. „Was macht Deutschland aus? Was bedeutet Heimat? Jeder von uns kann diese Begriffe mit eigenen Erinnerungen und Erfahrungen beleben“ – so lautet die Handreichung von ARD-Programmdirektor Volker Herres für die Rezeption der Reihe. Geht es nicht ohne patriotisches Marketing?

Die Frage drängt sich auf, weil an diesem Wochenende nicht nur das Sechzehner-Pack im Ersten geliefert wird. Bereits am Freitag will der WDR mit dem Auftaktfilm der Städteporträtreihe „Heimatabend“ für Nationalfeiertagsstimmung sorgen. Am sehr späten Sonntagabend kommt im Ersten dann auch noch eine neue Staffel von „Deutschland, deine Künstler“. Für die Themenwoche „Heimat“ wird gerade per Ausschreibung ein Film „für einen Primetime-Sendeplatz im Ersten“ gesucht. „Was ist Heimat? Wo liegt sie, was bedeutet sie? Wie fühlt sie sich an?“ – diesen Fragen sollen sich die Bewerber widmen.

RENÉ MARTENS