Brüssel räumt auf

VORSCHRIFTEN Viele EU-Regeln bringen Bürger zum Kopfschütteln. Nun werden einige Vorhaben zurückgezogen. Umweltschützer protestieren

BRÜSSEL dpa | Gut sieben Monate vor den Europawahlen räumt Brüssel das EU-Recht auf. Zahlreiche Gesetzesvorhaben werden nun zurückgezogen oder stark vereinfacht, manche Gesetze sogar ganz abgeschafft. Das beschloss die EU-Kommission nach langen Debatten am Mittwoch. Vor allem im Umweltschutz will die Behörde die Schere ansetzen, der Entwurf der umstrittenen Bodenschutzrichtlinie ist vorerst vom Tisch. Protest kommt von Umweltverbänden. Für Europas Friseure soll es keine neuen Arbeitsschutzregeln geben.

„In vielen Bereichen brauchen wir europäische Regulierung. Andere Themen können besser auf nationaler und regionaler Ebene behandelt werden“, sagte Behördenchef José Manuel Barroso. Angesichts der Wirtschaftskrise stünden Wachstum und Jobs im Vordergrund.

Das Bodenschutzgesetz ist schon seit Jahren im EU-Ministerrat blockiert – dort sind die Mitgliedstaaten vertreten. Das neue Recht soll die Überdüngung von Böden verhindern.

Kritik kam vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). „Dies ist ein durchsichtiges Manöver eines gescheiterten Kommissionspräsidenten, der sich um seine Wiederwahl sorgt – und das auf Kosten der Umwelt und der Bürger“, sagte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen warnte: „Die Entbürokratisierung von Vorschriften auf EU-Ebene darf nicht zu einer Aushöhlung des Umwelt- und Verbraucherschutzes führen.“ Karl-Heinz Florenz von der CDU begrüßte hingegen den Vorstoß – Bodenschutz sei Sache der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Seit Jahren gibt es eine Debatte über „Brüsseler Regulierungswut“. Als Musterbeispiel unnützer Regulierung galten lange Zeit Vorgaben für den Krümmungsgrad von Gurken. Diese müssten „gut geformt und praktisch gerade sein“, lautete die Devise. Diese Standards wurden aber schon 2009 abgeschafft. Erst im Sommer kündigte Binnenmarktkommissar Michel Barnier nach Bürgerprotesten an, das Wasser aus der EU-Konzessionsrichtlinie herauszunehmen. Vor allem in Deutschland gab es Vorwürfe, die Trinkwasserversorgung solle privatisiert werden.