Parkettfüller mit Lachgarantie

PREMIERE Das Thalia Theater wagt sich mit Michael Frayns „Der nackte Wahnsinn“ aufs Boulevard-Terrain vor – und muss dafür erst mal wieder das präzise Timing lernen: Türe auf, Türe zu

Platter Humor rotiert turbulent, befreit sich in den Irrwitz und feiert zum Brüllen komisch das Chaos des Scheiterns. Heißa, was für ein Spaß. Michael Frayns „Der nackte Wahnsinn“ ist seit über 30 Jahren ein Parkettfüller mit Lachgarantie.

Ausgerechnet der derzeit bedeutendste Tempel der Theaterkunst in Norddeutschland, das Thalia Theater, und sein wichtigster Regiekünstler, Luk Perceval, begeistern sich nun für diesen brachial lustigen Tür-auf-Tür-zu-Klamauk-Mechanismus des Boulevardtheaters. Nicht als Entspannungsübung, sondern zur Eroberung neuen Terrains, für dessen kunsthandwerkliche Variante in Hamburg sonst eher das Winterhuder Fährhaus zuständig ist.

Die Starmimen am Alstertor müssen das absolut präzise Timing erst mal wieder lernen – sodass Slapstick-virtuose Typenkomik und ins Groteske geschraubte Sprachpointen funktionieren. Aber das Thalia verkündet nicht nur Jux und Dollerei, auch einen Überbau: Über sich selbst möchte man lachen. Theater sei genauso „Der nackte Wahnsinn“ wie das Leben.

Das Stück beschreibt die Generalprobe eines prekären Schauspieltrüppchens (Akt 1), das Backstage-Tohuwabohu der Premiere (Akt 2) und die Dernière der völlig ausgenudelten Produktion (Akt 3). Shakespeare-klassisch übersetzt heißt das: Das ganze Leben ist eine Showbühne – und hinter den Kulissen offenbaren sich Eifersüchteleien, Trunksucht, Ängste, Fehler, Eitelkeiten, Hass, Liebe, Affären.

Frayns Stück zeigt, wie das eine das andere bedingt – und im resignierten Wegwurschteln der Theateraufführung, des Lebens endet. So gesehen wurde die Farce ein Spielplanhit dieser Theatersaison. Nach müdem Auftakt am Schauspiel Köln ist sie auch an den Stadttheatern in Trier, Meiningen, Kaiserslautern, Bremerhaven, Braunschweig sowie am Renaissance Theater Berlin angekündigt. Das kann kein Zufall sein.  JENS FISCHER

■ Premiere: Sa, 5. 10., 20 Uhr, Thalia Theater, weitere Termine bis Mitte Januar