„Reform der NRW-Verwaltung überschätzt“

Verwaltungsexperte Jörg Bogumil rät der Regierung davon ab, nur auf die Abschaffung von Behörden zu setzen

taz: Herr Bogumil, Schwarz-Gelb ist in NRW für Bürokratieabbau und eine Verwaltungsreform angetreten. Wie fällt Ihre Bilanz nach knapp einem Regierungsjahr aus?Jörg Bogumil: Bis jetzt hat sich naturgemäß noch relativ wenig getan, da sich die neue Landesregierung erst in diesen doch schwierigen Politikbereich einarbeiten musste. Es ist leicht gesagt, Bürokratie abzubauen, aber schwieriger, dies in der Regierungspraxis dann zu realisieren.

Ein Schwerpunkt ist die Abschaffung von Landesbehörden. Ist das der richtige Weg?Das kommt auf die Landesbehörde an. Es gibt keinen Königsweg beim Bürokratieabbau. Es lassen sich aber relativ selten ganze Behörden auflösen, ohne dass an anderer Stelle zumindest wieder Teile dieser Behörden in „neuem Gewand“ auftauchen. Insofern glaube ich, dass angesichts der Reformen, die es in der Vergangenheit schon gegeben hat und bei denen wirklich überflüssige Behörden weitestgehend beseitigt wurden, es letztlich erfolgreicher ist, in den bestehenden Verwaltungen Strukturen und Prozesse zu optimieren.

Als nächsten Reformschritt will Schwarz-Gelb die Zahl der Bezirksregierungen reduzieren. Sie hatten sich in einem Gutachten gegen die Abschaffung dieser Mittelinstanzen ausgesprochen. Warum?Man braucht in großen Flächenländern zwingend Bezirksregierungen, will man nicht die Ministerien überlasten oder zahlreiche neue Sonderbehörden aufbauen. Die Reduzierung der Zahl der Bezirksregierungen von Fünf auf Drei schafft zu große Behörden, bringt keine Einspareffekte und schafft völlig neue Probleme, wenn man diese auch noch wie geplant mit den Landschaftsverbänden zusammenlegen will. Insbesondere letzteres wäre für ein Regionalpräsidium Ruhrgebiet ein teurer Spaß, da die Revierkommunen im Landschaftsverband bei der Umlagefinanzierung von den Umlandskommunen profitieren.

Was wäre die Alternative?Optimierungen in den Bezirksregierungen – etwa indem man unnötige Aufsichtsfunktionen überdenkt.

Was erwarten Sie noch an Verwaltungsreformen der Regierung? Was wäre sinnvoll?Sinnvoll wäre zunächst eine ergebnisoffene Aufgabenkritik und keine Vorgehensweise, bei der von vornherein schon klar ist, dass bestimmte Verwaltungsstrukturen oder -organisationen auf jeden Fall abgeschafft werden soll. Letzteres hat man gerade in Niedersachsen gemacht bezüglich der Abschaffung der Bezirksregierungen und hat sich dadurch einige Probleme eingehandelt. Sinnvoll wäre aus meiner Sicht bei der viel diskutierten Umweltverwaltung in NRW etwa die Integration der Staatlichen Umweltämter und der Ämter für Arbeitsschutz in die Bezirksregierungen. Darüberhinaus könnte ein Zusammenschluss des Landesumweltamtes und der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten durchaus zu Synergieeffekten führen.

Wie wichtig ist die Reform der Landesverwaltung? Wird das Thema überschätzt?Generell wird das Thema überschätzt, sowohl was das Ausmaß an Problemen als auch die finanzwirksamen Einsparungen angeht. Es muss gefragt werden, ob hier weitere Einsparungen sinnvoll sind, denn der Kern der Landesverwaltung sind Schule, Hochschule, Polizei und Finanzbeamte. Alles Bereiche, die keine weiteren Einsparungen vertragen.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER