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: Verkehrte Stoßrichtung

Bis zum Jahre 2010, wenn das Revier Kulturhauptstadt Europas ist, soll sie verwirklicht sein: die betagte Utopie von der Ruhrstadt. Nicht von Dortmund und Bochum und Wanne-Eickel soll fortan gesprochen werden, sondern vom Ruhrgebiet als einer aus einzelnen Kommunen gewachsenen Metropole. Nur: Um als Metropole zu funktionieren, bedarf es bestimmter Voraussetzungen. Die Städte müssten etwa auf Verwaltungsebene enger kooperieren. Und ganz besonders braucht es ein intaktes, flächendeckendes Nahverkehrsnetz.

KOMMENTAR VONBORIS R. ROSENKRANZ

In dieser Hinsicht dürfte das Rechenspiel des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) eine Hiobsbotschaft in den Ohren der Kulturhauptstadt-Verantwortlichen sein. Gut eine Woche nachdem dem Ruhrgebiet der Titel zugesprochen wurde, denkt der VRR darüber nach, ganze Strecken stillzulegen. Auch wenn nur kleinere Bahnhöfe im ländlichen Raum von den auf Bundesebene beschlossenen Kürzungen betroffen sein sollen – kontraproduktiv für die Metropolenwerdung wäre es dennoch. Fürchtet doch eben jene Peripherie ohnehin darum, vom sagenumwobenen Kulturhauptstadt-Titel allenfalls heiße Luft zu spüren. Und nun will man ihnen auch noch die Bahnanbindung streichen.

Um ein Verwachsen der Region zu gewährleisten, wäre die genau umgekehrte die richtige Stoßrichtung. Sprich: Kleine Strecken und Bahnhöfe nicht stilllegen, außerdem auf viel befahrenen die Taktung erhöhen. Und nicht nur tagsüber. Auch in Wochenendnächten. Denn wer den wummernden Puls der Metropole Ruhr spüren und als Teil seines Lebensgefühls begreifen will, der geht am Wochenende zunächst irgendwo ins Stadion, dann beispielsweise im Ruhrstadtteil Dortmund ins Museum, in Essen ins Theater, in Duisburg ein Bier trinken. Und fährt anschließend wieder nach Hause. Natürlich nicht mit dem Auto. Mit dem Zug. Wenn einer fährt.