Wieder Opfer im Todessee

Im Kreidesee im niedersächsischen Hemmoor ist ein dänischer Sporttaucher verschwunden, zwei Begleiter liegen schwer verletzt im Krankenhaus. Der See ist seit Jahren für schwere Unfälle bekannt

von Anja Tiedge

Nach einem schweren Unfall im Kreidesee von Hemmoor (Kreis Cuxhaven) wird ein dänischer Sporttaucher vermisst. Zwei weitere Taucher, ebenfalls aus Dänemark, liegen mit schweren Lungenverletzungen in einer Bremer Klinik. Bei der Suche nach dem dritten Taucher, wurden am späten Dienstagabend Ausrüstungsgegenstände gefunden, die vermutlich ihm gehört haben.

Der 37-Jährige war am Montag zusammen mit vier anderen Dänen in den 60 Meter tiefen See abgestiegen. Nach ersten Ermittlungen der Polizei hatten sich drei der Taucher von den beiden anderen entfernt und waren in tiefere Bereiche des Sees abgetaucht. Dabei seien zwei von ihnen aus unbekannten Gründen in Panik geraten und zu schnell aufgestiegen.

Der See ist so tief, dass die Feuerwehrtaucher nicht bis auf den Grund tauchen können. Sie setzen daher für die Ortung des Vermissten ein Sonargerät und einen Tauchroboter ein.

Der Kreidesee, der direkt an der B 73 liegt, gilt als das tiefste Gewässer Norddeutschlands. Wo heute bis zu 30.000 Taucher jährlich in die Tiefe gehen, wurde bis 1976 im Tagebau Kreide für die Zementherstellung abgebaut. Nach der Einstellung des Abbaus lief die Grube über Jahre hinweg voll. Heute wird der Wasserstand künstlich auf Meeresspiegelhöhe gehalten.

Die Reste des Tagebaus machen den See für Taucher so interessant: Mit Gebäuden, Straßen, Laternen, Brücken und PKW beherbergt der See eine eigene kleine Stadt. Dazu kommen immer wieder neue Tauchobjekte wie ein LKW, der demnächst versenkt werden soll. „Es wird jedoch darauf geachtet, dass die Taucher nicht in die Objekte hineintauchen können“, sagt Ulf Timmermann, Angestellter der „Tauchbasis Kreidesee“, die den Tauchsee betreibt. So wurde auch die Kajüte eines Segelbootes, das ebenfalls im See versenkt wurde, verschlossen.

Das Gewässer gilt allerdings schon lange als gefährliches Revier. Nach einer Reihe von teils tödlichen Unfällen in Hemmoor Anfang der neunziger Jahre gründete der Betreiber der Tauchbasis Holger Schmoldt 1995 den „Verband Internationaler Sporttaucher“, der die Sicherheit der Tauchgänge überwacht. Es werde beispielsweise die Ausrüstung überprüft und darauf geachtet, dass niemand allein taucht, so Mitarbeiter Ulf Timmermann. Außerdem müssten die Taucher vereisungssichere Ausrüstung tragen, da das Wasser des Sees ganzjährig sehr kalt sei.

Wenn sich jemand danebenbenehme, würden auch Sperren verhängt, sagt Timmermann. Gerade am letzten Wochenende sei ein Hobbytaucher „noch nach einer Verwarnung solo getaucht. Wir haben ihm ein Tauchverbot für ein Jahr erteilt.“

Trotz solcher Vorsichtsmaßnahmen kommt es immer wieder zu tragischen Unglücken. In den vergangenen zwölf Jahren ereigneten sich in dem Gewässer sieben tödliche Unfälle. Zuletzt starb ein 44 Jahre alter Taucher im November 2005, weil ihn eine falsche Luftverteilung im Schutzanzug aus 25 Metern Tiefe an die Oberfläche gerissen hatte.

Die maximal zulässige Tauchtiefe im See beträgt 45 Meter. Ab einer Tiefe von 30 Metern wird es auch bei guten Lichtverhältnissen sehr dunkel. Überschreitungen dieser Grenze könne man laut Timmermann jedoch nicht hundertprozentig ausschließen: „Man kann den Menschen nicht die Eigenverantwortung abnehmen. Dann müssten wir ihnen ein Seil um den Bauch binden. Das wollen wir nicht.“