DER CRASHKURS
: Kunstskandal

Vor 50 Jahren konfiszierte die Westberliner Staatsanwaltschaft die Gemälde „Nackter Mann“ und „Die große Nacht im Eimer“ von Georg Baselitz. Über Nacht waren der junge unbekannte Maler und seine beiden Galeristen Michael Werner und Benjamin Katz ein Aufregerthema geworden.

Was braucht es für einen richtigen Kunstskandal?

Denkt man an den Fall Baselitz, dann brauchte es einen ehrgeizigen jungen Künstler und nicht weniger ehrgeizige und listige Galeristen. Es brauchte eine prüde Gesellschaft, in sexueller wie ordnungspolitischer Hinsicht und eine Springerpresse, die sich als Sprachrohr dieser Gesellschaft verstand. Konkret brauchte es einen Berliner Polizeipräsidenten, einen Leiter der Kriminalpolizei, einen Generalsstaatsanwalt, dazu zwei Oberstaatsanwälte sowie zwei Staatsanwältinnen und – nicht zu vergessen – zwei Vertreter der beiden christlichen Kirchen.

Reichen diese Zutaten auch heute noch aus?

Ganz offensichtlich nicht. Zunächst gibt es die Springerpresse nicht mehr. Die heißt nun Funke. Springer macht auf Internet und die verbliebene Welt liebt Baselitz inzwischen heiß und innig. Denn auch die Gesellschaft ist neuerdings ganz versessen auf zeitgenössische Kunst, etwa der Springer-Chef Mathias Döpfner. Last not least aber stellte sich die Justiz damals, anlässlich des Baselitz-Skandals, auf die Seite der Kunstfreiheit.

Und das heißt?

„Dass kein Gegenstand von der Darstellung ausgeschlossen ist“, wie das Urteil der 10. großen Strafkammer des Berliner Landgerichts lautete, mit der das Strafverfahren gegen Baselitz und Co eingestellt wurde. Galt zuletzt auch im Streit um Jonathan Meeses Hitlergruß.