HEINZ FISCHERS WIEDERWAHL UND DAS INTERNET
: Politik als Casting-Show

Isolde Charim

Letzten Sonntag wurde in Österreich ein neuer Präsident gewählt, und wie erwartet wurde der bisherige Amtsinhaber Heinz Fischer mit überragender Mehrheit wiedergewählt. Keine Überraschung also bei der Wahl für ein Repräsentationsamt ohne faktische Macht. Und doch gab es in diesem drögen Wahlkampf drei Momente, die erwähnenswert sind.

Da war zum Beispiel der Umstand, dass weder Konservative noch Grüne einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickten. Es gab nur drei Bewerber: den amtierenden Sozialdemokraten Heinz Fischer, einen mehr als wunderlichen Christen mit fundamentalistischen Neigungen und eine Vertreterin der FPÖ, die sich gezwungen sah, sich öffentlich per eidesstaatlicher Erklärung vom Nationalsozialismus zu distanzieren. Man muss schon froh sein, wenn sie „nur“ knapp 16 Prozent erhält! Was für ein Desaster, diese Auslese der Kandidaten für das höchste Amt im Staate!

Umso mehr wiegt da die zweite Besonderheit dieses Wahlkampfs. Der bisherige Amtsinhaber hat etwas gemacht, was bisher noch keiner Partei hierzulande wirklich geglückt ist: Er hat einen expliziten und gelungenen Internetwahlkampf geführt. Obama war ja eine regelrechte Zäsur für die politische Bühne. Konnte die Politik dieses Medium in der Prä-Obama-Zeit noch vernachlässigen, so ist dies nun nicht mehr möglich. Der Schauplatz des Politischen hat sich erweitert. Natürlich ist derzeit jeder Internetwahlkampf (noch) an diesem „Prototypen“ orientiert. Klar bedient man sich bei Obama. Nun es ist aber kein Fehler, erfolgreiche Strategien zu übernehmen. Aber diese muss man erst mal hinkriegen, ohne peinlich zu werden!

Wie viele Politiker haben in den letzten Jahren schon euphorisch den Ruf „Yes, we can“ lanciert, der dann in Ermangelung eines charismatischen Resonanzraumes mickrig verhallt ist? Man muss es also können, und da lautet das erste Gebot: Man mache nur das, was für die eigene Person auch adäquat ist. Das erfordert die Einsicht des Politikers in seine Begrenzungen. So hat der etwas steife Fischer in kluger Selbsteinschätzung gar nicht erst versucht, Obamas subtile „Einpeitscherqualität“ zu kopieren. Er hat das Internet nicht zur Charismaverstärkung benutzt. Aber er hat es ernst genommen und etwa Bloggern Exklusivinterviews gegeben. Und er hat, als gerader, aber humorvoller Michel, der er ist, die ironischen Momente von Obama übernommen.

Etwa mit „Fischer yourself“, wo jeder die Möglichkeit hatte, sein eigenes Bild in Fischers Porträt hineinzukopieren. Oder mit dem Video „Auf Deine Stimme kommt es an!“. Also all die Elemente, die mit einem Augenzwinkern den Einzelnen ansprechen, ohne ihn wirklich zu meinen. Das hat die Qualität des Facebook-„gefällt mir“-Buttons: niedrigschwellig, schnell, erfasst es nie die ganze Person. Das ist die massentaugliche Anrufung der Internetgesellschaft.

Wie leicht das jedoch kippen kann, zeigt ein drittes Moment der Kampagne: Es handelt sich dabei um etwas, womit jeder Wahlkampf in letzter Zeit zu tun hatte und wohl in den nächsten Jahren zu tun haben wird: TV- Auftritte (derzeit noch vornehmlich im Privatfernsehen), wo das Saalpublikum mittels eines technischen Geräts jede Äußerung des Kandidaten „benotet“ – wo also Zustimmung oder Ablehnung unmittelbar bekundet wird. Die Wahl wird dabei zum Voting in einer Castingshow.

Das verwandelt die politische Realität in ein Reality-Format. Was das zur Folge hat, hat Walter Benjamin – in anderem Zusammenhang – beschrieben: Die neue Auslese ist eine „Auslese vor der Apparatur, aus der der Star (?) als Sieger hervorgeht“. Bei solch einem Casting zu „Austrian next president“ kann das Publikum zwar entscheiden, wen es „wählt“. Aber es muss dabei der Logik der Unterhaltungsindustrie folgen: Egal wer der Sieger ist, dieser muss das Starformat erfüllen. Auch wenn dieses keine politische Qualität ist.

■ Isolde Charim ist freie Publizistin und lebt in Wien