Unterm Holzkreuz

Die Angst des Staates vor dem Theater: René Heinersdorff öffnete karfreitags seine Düsseldorfer Bühne. Nun stand er deshalb vor dem Kadi. Wo auch über Tabledance-Bars gesprochen wurde

VON BORIS R. ROSENKRANZ

René Heinersdorff sitzt auf der Anklagebank und grinst. Der Leiter des Düsseldorfer „Theaters an der Kö“ hat mächtig Spaß daran, dass er sich hier, im Raum A 158 des Amtsgerichts, für ein wahrlich bleischweres Vergehen verantworten muss: seinen Verstoß gegen das Sonn- und Feiertagsgesetz im Jahre 2005, als Heinersdorff es tatsächlich wagte, seine Boulevard-Bühne am Karfreitag für die mit dem Pulitzer-Preis gekrönte Beziehungskomödie „Freunde zum Essen“ von Donald Marguiles zu öffnen. Obwohl es sich doch um einen stillen Feiertag handelt, an dem jeder Demut zu zeigen hat. Also brummte die Stadt Heinersdorff ein Bußgeld auf. Und nun sitzt er da. Weil er es nicht bezahlen wollte. Sitzt da. Und grinst.

Um es vorweg zu nehmen: Das Grinsen sollte dem Theatermacher in der knapp 40-minütigen Verhandlung nicht vergehen. Nach reichlich ironischer Steuergeldverschwendung stellte das Gericht das Verfahren ein, die Kosten trägt die Staatskasse. Als Begründung führte Richter Dirk Kruse an, mit einem Bußgeld solle eine Verhaltensänderung erwirkt werden. Da Heinersdorff am Karfreitag dieses Jahres seine Bühne jedoch nicht bespielt hatte – was sollte man da noch verhaltensändern? Also verließ der 42-Jährige quasi als Sieger den Gerichtssaal, der mit seinem Arrangement aus Richter unter Holzkreuz auf hellbraun vertäfelter Wand gestern eher wie ein Kammertheater wirkte.

Betrachtet man den ganzen Plot, hat er doch eindeutige Züge einer Lokalposse. So öffneten Karfreitag 2005 gleich fünf Theater ihre Türen, es wurden auch alle mit einem Bußgeld verwarnt. Allerdings, und das ließ auch Richter Kruse stutzen, wurde mal ein Bußgeld von 100 Euro verhängt, gegen Heinersdorff jedoch von 450 Euro. Mal wurde das Verfahren vorzeitig eingestellt, mal musste es, wie hier, erst vor dem Kadi landen. Worauf es Heinersdorff aber auch hatte ankommen lassen: „Ich wollte damit bewusst provozieren“, so der Schauspieler, der unter anderem an der Seite von Willy Thomczyk in der RTL-Kleinbürgerserie „Die Camper“ eine Rolle spielt.

Provozieren wollte er. Und inszeniert hat er die Verhandlung. Anwalt Spormann trat dabei als Regieassistent auf und dozierte nebenbei in genüsslichem Ton, dass Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) in der Vergangenheit schon selbst Gast bei Karfreitags-Premieren an der Kö gewesen sei, wo es über Jahre Karfreitags-Premieren gab. Und noch etwas sprach Regieassistent Spormann an. Thema: Tabledance. Solche Bars hätten karfreitags auch geöffnet. „Ich weiß ja nicht, ob das Gericht schon mal in so einer Tabledance-Bar war“, sprach Spormann seinen Text. Richter Kruse daraufhin: „Sie erwarten jetzt hoffentlich keine Antwort.“ Wenn das nicht 1A-Dialoge sind.

Dennoch: Eine Frage bleibt, die auch das Gericht ansprach. Ob es nicht an der Zeit ist, das Gesetz zu reformieren? „Die Wirklichkeit“, so Richter Kruse, „hat das Gesetz weitgehend überlebt.“ Was sich leicht am Fernsehprogramm ablesen lässt, wie Heinersdorff und sein Anwalt Rüdiger Spormann referierten. Auf RTL lief am Karfreitag im Jahre 2005 ein Streifen, dessen ernsthafter und religiöser Hintergrund erst noch zu beweisen wäre. Oder handelt es sich beim „Terminator“ um den neuen Heiland? Allerdings lässt sich darüber streiten, ob das Fernsehprogramm an Feiertagen zensiert werden sollte. Ließe sich doch auch argumentieren, jedem, der an „stillen Feiertagen“ nach Ruhe und Einkehr sucht, sei empfohlen, die Glotze auszulassen – was sich häufig auch an Werktagen anbietet. Mit dem Theater verhält es sich ebenso. Übrigens: Am Karfreitag des laufenden Jahres bot eine große Düsseldorfer Tanz-Einrichtung Flamenco – und wurde offenbar nicht verwarnt.

Heinersdorff denkt derweil darüber nach, ob es nächstes Jahr wieder eine Vorstellung an Karfreitag gibt. Sagt er. Und grinst.