AUS DER MINIBAR: Ins Wortall
Machismo, aber melancholisch, hatte R. zu Fabian gesagt. Melancholischer Machismo, das sei sein Wesen. Fabian ging mit einem klugen Gedanken nach Hause, irgendwas über die Sinnlosigkeit des Musikjournalismus, über die Geschlechterrollen, auf die ein Mann in der sozialen Praxis immer zurückgeworfen wird. Ein Taxi fuhr über eine rote Ampel. Auf der Admiralsbrücke war erstaunlich wenig los. Es war kurz vor zwei. Mit mehr Geld wäre die Nacht länger gewesen, denn der eigentliche Grund des Aufbruchs aus der Minibar, die wie immer das Gegenteil von Diskretion behauptete und für Ausschweifung sorgte, waren die Zigaretten gewesen, die plötzlich aus waren. Und keiner von beiden, weder R. noch er, hatte neue kaufen wollen. Dabei hatte die linksbewegte blonde Frau am Nebentisch langsam angefangen, Fabian zu gefallen. Obwohl es keinen Blick gab. Keine Einladung. Sein melancholischer Machismo braucht immer etwas Anlauf. Anregung. Verständnis.
Die Wohnung, in die Fabian zurückkehrte, war noch warm. Er zog sich aus und dachte nach. Er wurde sich seiner charakterlichen Mängel wieder einmal bewusst. Die Behandlungen der anderen, der Freunde und Freundinnen, waren tatsächlich nicht immer die besten gewesen. Er spielte ein Spiel gegen schattenhafte Gegner. Die Metaphern wurden allmählich undeutlich. Eine Kapsel im Weltraum, dachte Fabian in seinem milbenkotgeschützten Bett, leider auf wackligem Kurs, und zu weit von tröstenden Galaxien entfernt. Die Schreiberei geschieht einsam in der Kammer, wird als kleiner elektrischer Impuls durchs Netz geschickt, schwebt dann durchs Wortall, am Ende bleibt die Einsamkeit. An R. bewunderte Fabian dessen Talent zur Emphase, das hatte er ihm auch erstmals gesagt. Dieser Rotwein schwenkende Überschwang. Davon hätte er sich gern einmal eine Glasscheibe abgeschnitten. Wie auch immer. RENÉ HAMANN
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