Die kleine Wortkunde

Bei Katastrophen gibt es eine moralische Regel: Bevor ein Christenmensch, auch ein Politiker, einen Vorfall kommentieren und seine Wahrheiten in die Welt hinausposaunen darf, besinnt er sich eines Moments der Nächstenliebe. Dafür stritt Martin Luther einst tapfer. Auch biblisch heißt es: „Einer trage des andern LAST.“ Wenn an Europas Grenze knapp 200 Menschen ertrinken – ist das dann ein solcher Moment der Einkehr?

Nicht für Markus Ferber. Der CSU-Europapolitiker ergriff am Montag die Gelegenheit, die der Deutschlandfunk ihm bot, um an die Lasten der Europäer zu erinnern. Er forderte von den Euro-Ländern eine „gerechte Lastenverteilung“. Sie kennen das ja selbst vom Müllrausbringen: Man hat mit dem Dreck so seine Last. Ferber meinte aber nicht den Dreck an sich, sondern jene Ausländer, deren Charakter er rasch konkretisierte: Es handele sich bei den Toten nicht um politische Flüchtlinge, sondern nur um Wirtschaftsflüchtlinge. Und da war es doch gerade, so scheint es, seine christliche Pflicht, zu fragen: Lebendige Wirtschaftsflüchtlinge mitten in Europa – wer solle diese Last tragen? MK