Neue Vorwürfe in der Folter-Affäre

Britischer Ex-Botschafter in Usbekistan beschuldigt deutschen Geheimdienst, gewaltsam erpresste Aussagen genutzt zu haben. Grünen-Abgeordneter Christian Ströbele will den Informationen nun im deutschen BND-Untersuchungsausschuss nachgehen

VON CHRISTIAN RATH

Der britische Ex-Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, hat gestern schwere Vorwürfe gegen Deutschland erhoben. Der deutsche und der usbekische Geheimdienst hätten in dem zentralasiatischen Land eng zusammengearbeitet, sagte Murray vor dem CIA-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments. Dabei habe Deutschland „sicherlich“ auch Aussagen erhalten, die unter Folter entstanden sind. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele will Murrays Vorwürfe nun zum Thema im BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags machen.

Murray sagte nach Agenturberichten, er habe Beweise dafür, dass der CIA und der englische Geheimdienst MI 6 Geständnisse von Gefangenen erhalten hätten, die von usbekischen Folterern erpresst wurden. Der CIA habe Gefangene aus Afghanistan gezielt nach Usbekistan gebracht, „weil man Aussagen haben wollte, die durch Folter erwirkt wurden“. Er wisse von einem Gefangenen, der durch siedendes Wasser zu Tode gekommen sei, anderen seien die Genitalien verstümmelt worden oder sie seien im Beisein Angehöriger mit Gegenständen „homosexuell vergewaltigt“ worden.

Auf die Frage nach Kontakten anderer Staaten zu den Usbeken antwortete der Ex-Diplomat: „Die einzige Botschaft, von der ich weiß, dass sie dort voll geheimdienstlich zusammenarbeitet, ist die deutsche Botschaft.“ Zu seiner Zeit als Botschafter seien viele deutsche Diplomaten über diese Zusammenarbeit „sehr unglücklich“ gewesen.

Murray hatte bereits als Botschafter mehrfach die Menschenrechtslage in Usbekistan offen kritisiert. In einem vertraulichen Bericht an seine Regierung protestierte er im Juli 2004 gegen die britische Informationsgewinnung durch die Zusammenarbeit mit usbekischen Folterern. Als die Financial Times den Bericht im Oktober 2004 veröffentlichte, wurde Murray entlassen. Er hat inzwischen ein Buch geschrieben, das auch verfilmt werden soll.

In der deutschen Debatte um die Zusammenarbeit mit der CIA hat Usbekistan bisher keine Rolle gespielt. Innenminister Wolfgang Schäuble hatte vorigen Dezember mit der Aussage für Proteste gesorgt, dass er bei der Terrorbekämpfung weiter auf Informationen zurückgreifen wolle, die möglicherweise durch Folter gewonnen wurden.

Der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags, der im Mai seine Arbeit aufnehmen wird, soll unter anderem klären, „welche Konsequenzen aus den Vernehmungen/Befragungen, die nach vorangegangener Folter oder unter folterähnlichen Umständen durchgeführt worden sein sollen, gezogen worden und noch zu ziehen sind“.

Christian Ströbele hält es für „dringend erforderlich“, die Vorwürfe Murrays aufzuklären und Murray dann auch in den Ausschuss einzuladen. Auch Wolfgang Neskovic von der Linkspartei glaubt, dass die Aufklärung der deutschen Usbekistan-Connection vom Untersuchungsauftrag gedeckt ist. „Notfalls muss der Auftrag entsprechend erweitert werden“, sagte er der taz. Max Stadler, das Ausschussmitglied der FDP, will erst den Zwischenbericht des Brüsseler Untersuchungsausschusses abwarten, der im Mai oder Juni erstellt werden soll. Auch die Bundesregierung sagte gestern, sie wolle vor einer Stellungnahme die Aussagen Murrays genau prüfen.

Deutschland verfolgt einen diplomatischen Schmusekurs gegenüber dem autokratischen Regime des usbekischen Präsidenten Islam Karimow. Der Grund: Deutschland unterhält im usbekischen Termes einen Luftwaffenstützpunkt, von dem aus die deutschen Truppen in Afghanistan versorgt werden. Erst im Dezember stand Usbekistan den Deutschen die weitere Nutzung des Stützpunktes zu, obwohl zu Jahresbeginn ein Überflugverbot gegen Nato-Flugzeuge verhängt worden war.