Rassismus ist schwer zu dokumentieren

Die ausgewählten Taten: Der Überfall auf einen Deutsch-Äthiopier in Potsdam am Ostersonntag hat nationales Aufsehen erregt. Der Generalbundesanwalt ermittelt, Politiker aller Parteien äußern sich, die Medien berichten großflächig. „Afrikanischer Asylbewerber im Bus bedroht und geschlagen“ – so eine Nachricht schafft es nur in die Kurzmeldungsspalten der Zeitungen. Wie normal sind rassistische Angriffe in Deutschland? Die taz dokumentiert eine Auswahl der Gewalttaten gegen Ausländer und Migranten in Deutschland – ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit. Allein die Fälle vom Neujahrsmorgen 2006 bis heute füllen eine Seite. Beschimpfungen allein sind aus Platzgründen kaum enthalten. In Ostdeutschland finden sich die meisten Gewalttaten, in Süddeutschland wurden in Polizeimitteilungen, Agentur- und Zeitungsarchiven fast keine Vorfälle bekannt.

Nicht enthaltene Taten: Wir haben uns auf Attacken gegen Menschen nichtdeutscher Herkunft oder Abstammung konzentriert. Weitere Seiten ließen sich füllen: Rechtsextreme greifen regelmäßig Menschen an, weil sie eine andere politische Meinung haben, wegen ihres Glaubens, weil sie behindert sind oder obdachlos oder weil einfach ihre Kleidung anders aussieht. Im Januar wurde in Quedlinburg in Sachsen-Anhalt ein Obdachloser zu Boden gerissen, getreten und als „Assi“ beschimpft. Im März legten Neonazis vor ein jüdisches Restaurant in Chemnitz einen Schweinskopf mit einem Davidstern darauf.

Taten, die es nicht in die Öffentlichkeit schaffen: Wann wird ein rassistischer Überfall wahrgenommen? Die Medien, darunter die taz, reagieren inzwischen meist nur noch, wenn das Ereignis besonders brutal oder auf andere Weise außergewöhnlich ist. Geschah es auf offener Straße? In einer Großstadt? Ist ein Kind betroffen? Ob ein Ereignis wahrgenommen wird, ist zudem von vielen Einzelfaktoren abhängig: Nimmt es der Polizeipressesprecher in seinen Tagesbericht? Vermeiden es die Behörden, eine Tat rassistisch zu nennen, da sie nicht vorschnell urteilen wollen? Ist das Opfer zur Polizei gegangen? LÖW