„Hartes Brot“

JUBILÄUM Das Gebäude der Hochschule für bildende Künste Hamburg wird 100 Jahre alt und feiert das

■ 49, Präsident der Hochschule für bildende Künste. Er betrachtet Kunst subjektiv und freut sich auf die nächsten 100 Jahre.

taz: Herr Köttering, hat sich in den letzten 100 Jahren viel an der Arbeit und den Lehrplänen geändert?

Martin Köttering: Ja, das hoffe ich! Ich bin auch davon überzeugt, dass es sich permanent verändert hat. Kunst ist permanent in Bewegung.

Wie kann ein Laie lernen, moderne Kunst zu erkennen und wertzuschätzen?

Um einem Laien ein Hilfsinstrument an die Hand zu geben, würde ich immer raten: Lass dich beeindrucken. Wenn man das Gefühl hat, dass es Fragestellungen oder eine ästhetische Formensprache gibt, die einen beunruhigt, dann ist es ein exzellentes Zeichen, um dranzubleiben. Wenn die Kunst mir schmeichelt, dann ist es meistens ein Zeichen, dass es keine gute zeitgenössische Kunst ist, weil sie dann nicht innovativ ist.

Also sollte zeitgenössische Kunst vor allem anders sein, als das, was es bereits gibt?

Nein, es geht nicht um das Anderssein. Es geht darum, dass ich berührt werde und meine eigene Wahrnehmung und Reflexion verändern kann.

Kunst, die beunruhigt, möchte man sich aber nicht ins Wohnzimmer hängen …

Dass man sich Kunst ins Wohnzimmer hängt, weil sie einem gefällt, würde ich als Kunstwissenschaftler Gefälligkeitskunst oder Dekoration nennen.

Wie kann man Kunst in der Schule oder auch an der Universität bewerten? Und wie kann man den persönlichen Geschmack im Hintergrund lassen, um wirklich die Begabung der Schüler zu berücksichtigen?

Ich würde genau andersherum sagen, dass man Kunst nicht objektiv bewerten sollte. Viel besser wäre es, die Kunstwerke einer größeren Gruppe zur Diskussion zu stellen und gerade die subjektive Wahrnehmung hochzuschätzen. Dann ist es insofern bewertbar, dass man zwischen gut gelungen und weniger gelungen differenzieren kann.

Was muss ein Kunststudent außer einer gelungenen Mappe noch mitbringen?

Man muss eine Portion Lebenserfahrung und eine gestärkte Persönlichkeit haben. Man muss sich gegen so viele Widerstände durchsetzen, das fängt schon bei den Eltern an und geht dann weiter in der Gesellschaft, wo man von allen Seiten das Signal bekommt: „Oh, das ist aber ein schwieriger Weg“. Denn Künstler zu sein, ist natürlich schon hartes Brot.  INTERVIEW: FF

Festakt zu 100 Jahren Hochschule für bildende Künste (HFBK) mit Reden von Martin Köttering und Bürgermeister Olaf Scholz: 18 Uhr, Lerchenstraße 2