Fortgeschrittene Verhörmethoden

DOKUMENTARFILM In „Manhunt“ geben CIA-Agenten Einblick in ihre Arbeit bei der Suche nach Osama bin Laden – der Film lässt genug Fragen offen, die auch bei der Deutschlandpremiere im Babylon nicht beantwortet werden

Immer wieder lächelt Osama bin Laden sanft von der Leinwand

VON CATARINA VON WEDEMEYER

Wo ist Osama bin Laden? José Rodriguez, einer der CIA-Leute, die auf den Al-Qaida-Chef angesetzt waren, hatte die Frage irgendwann so satt, dass er sich schwor, sie ab jetzt nur noch mit „Fuck you“ zu beantworten. Dann kam er nach Hause, und die erste Frage, die seine Frau ihm stellte, war: Wo ist Osama bin Laden?

Von solchen Geschichten lebt „Manhunt: The Search for Bin Laden“, ein Dokumentarfilm von Greg Barker, der am Mon- tag im Babylon Mitte seine Deutschlandpremiere erlebte. So kritisch wie „The Gatekeepers“, die Doku über den israelischen Geheimdienst, ist „Manhunt“ nicht. Ambivalenter als in „Zero Dark Thirty“ erscheint die CIA hier jedoch allemal. Die Macher des im vergangenen Jahr erschienenen Blockbusters über die Suche nach Osama bin Laden waren zwar schneller, dafür sprechen in „Manhunt“ die realen Beteiligten. Auch unter den echten Geheimdienstlern gibt es Zoff, und kämpferische CIA-Agentinnen existieren auch im wahren Leben: Nada Bakos war das Vorbild für die Rolle von Jessica Chastain in Kathryn Bigelows Action-Thriller, nach dem Schock von 9/11 wollte sie in den Irak.

In „Manhunt“ erfährt man, dass es insgesamt sechs Frauen waren, die sich seit 1990 um den Fall Osama bin Laden kümmerten. Im Frühjahr 2001 schickte die „Sisterhood“ eine Warnung nach der anderen heraus. Niemand reagierte, die Informationen waren zu unkonkret. Im Film spricht Cindy Storer, eine Agentin der „Sisterhood“, von einem Wollknäuel-Gefühl und den Vorwürfen, die ihnen nach dem 11. September 2001 gemacht wurden. „Warum habt ihr nicht einfach die Punkte kombiniert? – Weil die ganze Seite schwarz war!“ Storer war es, die auf den Namen al-Qaida stieß, bis dahin wusste die CIA nicht mal genau, wonach sie suchte.

Dank einer Art Mindmap mit Pfeilen, Fotos und roten Kringeln, zwischen denen die Kamera immer wieder herumzoomt, kann sich das Publikum vorstellen, wie verwirrend die Suche gewesen sein muss. Neben den Interviews gibt es Ausschnitte aus Al-Qaida-Videos, immer wieder lächelt bin Laden sanft von der Leinwand. Gleichzeitig wird der Zuschauer zum Beispiel mit Sätzen wie „Der Angriff auf Osama bin Laden dauerte 40 Minuten. Die Jagd dauerte zwei Jahrzehnte“ auf dem Laufenden gehalten.

Dazu gibt es kurze Geschichten, etwa die des Mediziners Humam al-Balawi, der so tat, als arbeite er für die CIA, und dann einen ganzen Stützpunkt in die Luft fliegen ließ. Das prägt sich ein, genauso wie die Reflexionen der befragten Agenten über Krieg und Folter. „Es kann keinen Krieg gegen den Terror geben“, sagt Nada Bakos. „Krieg führt man nicht gegen eine Taktik, sondern immer gegen Menschen.“

Um an Informationen zu kommen, wendete die CIA in geheimen Gefängnissen auch Waterboarding an. Über solche „fortgeschrittenen“ Verhörmethoden äußern sich die Agenten in „Manhunt“ unterschiedlich. Einer tut es als „wimpy stuff“ ab, als Kleinigkeit. Schlagen, was sei das schon, „come on“. Überhaupt, diese Charaktere. Zum Beispiel Marty Martin. Der spricht und gestikuliert wie die Karikatur eines Amerikaners und sagt Dinge wie: „Wir sind die Gangster.“ Martin war dafür verantwortlich, Spione zu rekrutieren und zu betreuen. „Hi, ich bin von der CIA, wie wär’s, wollen Sie nicht als Spion für uns arbeiten?“ – so einfach sei das nicht. Dieser James-Bond-Verschnitt ist der Mann, der den tödlichen Angriff auf Osama bin Ladens Haus in Abbottabad in Pakistan leitete.

Nach dem Film diskutierte Regisseur Greg Barker mit Alison Smale von der New York Times, wie es dazu kommen konnte, dass nach 9/11 alles erlaubt zu sein schien, um die USA zu verteidigen. Erklärungsversuche: der Schock nach dem Terrorangriff. Die Angst. Dennoch würden viele CIA-Agenten den Irakkrieg für einen Fehler halten. Bei Osama bin Laden aber stand eine simple Verhaftung schon gar nicht mehr zur Debatte.

Sein Ziel, die emotionalen Hintergründe und die Entscheidungen hinter der „Attack Matrix“ zu beleuchten, hat Greg Barker mit seinem Film erreicht. Dass ihm andere zuvorgekommen sind, war für ihn nur insofern ärgerlich, als dass einige potenzielle Interviewpartner nicht mehr zur Verfügung standen. Nach „Zero Dark Thirty“ hatten sie keine Lust mehr. So bleibt vieles offen, bewusst endet der Film mit Fragen: Wie entstehen Feindbilder? Wie tötet man eine Ideologie? Und mit der von einem Interviewpartner im Film geäußerten Erkenntnis, dass es sich auch bei Al-Qaida-Mitgliedern um Menschen mit einer Familie und einer Seele handelt.