UrDrues wahre Kolumne
: Heute etwas ungehalten

Meinen goetheanischen Osterspaziergang habe ich in den Wäldern des Riesengebirges vollzogen und aus böhmischen Dörfern hat das Mailen dieser Kolumne offenbar in der vergangenen Woche nicht geklappt. Im dortigen Internet-Café allerdings traf ich über einige Umwege auf die Homepage der „Kampfschmuser-Gemeinde“, worin sich die Liebhaber von Pitbulls, Mastinos und ähnlichen Kreaturen versammeln. Möge der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger vom neuen Lebensborn sich für seine Arierzucht in Dörverden dort um eine charmante Rottweiler-Hündin bewerben und seine SS-Rüden von ihr oral stimulieren lassen: Dann löst sich das genetische Programm in eitel Sonnenschein auf …

Der HERR aber lässt sich und den Seinen vom innensenatorischen Gentleman-Darsteller Thomas Röwekamp das Feiern nicht verbieten und so findet der Kirchentag nunmehr trotz seiner Liquidationsversuche in Bremen statt. Wie muss es diesen Knecht des Hasses demütigen, dass er mit seiner ausländerfeindlichen Herodes-Politik von der Christenheit für ein paar Tage an den Rand der gutbürgerlichen Gesellschaft gedrängt wird – ob das zur Läuterung ausreicht, wird man erst sagen können, wenn er seinen muslimischen Mitbürger Murat Kurnaz nach der Entlassung aus Guantánamo mit der Fahrradrikscha eigenfüßig vom Flughafen nach Hause strampelt.

Nicht Hannes Kröger vonner Großen Freiheit, aber immerhin Hannes Schneider heißt der singende Ex-Flugzeugbauer, der sich beim ersten Spatenstich für die Airbus-Landebahnverlängerung nicht entblödete, „So ein Tag so wunderschön wie heute“ als solistischer Ballermann-Chansonnier anzustimmen. Wer angesichts von Trauer und Wut der Baugegner mit Figuren wie Gunnar Uldall und Airbus-Chef Puttfarcken (!) so gehässig triumphiert, hat jedes Recht verwirkt, mit mir gemeinsam irgendwann mal „Country Roads“ oder „Bandiera Rossa“ zu singen!

In der Linie 3 der Bremer Straßenbahn haben sich die Augen eines mutmaßlichen Großvaters geradezu festgesaugt in der ADAC-Motorwelt, was die mutmaßliche Enkelin im Vorschulalter schließlich mit den Worten kritisiert: „Das sind gar keine schönen Bilder. Und das ist alles ganz blöd.“ Immerhin ist der Alte belehrbar: „Hast ja Recht, Merle.“ Ein Moment der Hoffnung!

Wenn man mit sechs Soleiern, drei Butterbroten und einer Flasche Rum elf lange Stunden per Wochenendticket durch die Republik reist und dabei sechsmal umsteigen muss, scheut man nicht einmal davor zurück, ein zeitungeistiges Anzeigenblatt wie die „Uniscene“ (Bildung/Karriere/Lifestyle) durchzulesen. Alarmiert durch ein hähnchenverzehrendes Blondköpfchen auf dem Titel und der Fitnessstudio-bewerbenden Unterzeile „Straffe Schenkel gibt’s bei Fit 24“, entdecke ich das doppelseitige fritz-kola-Inserat, das einen leibhaftigen humanoiden Schwanzträger mit Hengstkopf beim Penetrieren eines nackerten Mädels zeigt, gefolgt von fünf Flirttipps für Aufreißer und einer Spalte, in der sich eine grienende Liberalinski-Kolumnistin unter BWL-Verdacht darüber freut, dass zur Fußball-WM krampfadrige Verkäuferinnen ihre private Zeitautonomie auf dem Altar des Shopping-Wahns solcher Schnepfen rund um die Uhr opfern müssen: Wie weit ist es mit unserem hochwohlgeborenen Hochschulwesen gekommen, dass eine solche Kollektion von Latrinenparolen gänzlich straffrei vor der Mensa ausgelegt werden kann?

Den schönsten Frühlingssonntag dieser Woche wünscht sich und dir und Ihnen Ulrich „Ungehalten“ Reineking