WASG wollt ihr denn?

Anfang vom Ende der „Neuen Linken“? Oder nur Emanzipation vom großen Bruder Linkspartei? Die Wahlalternative kürt Kandidaten für das Abgeordnetenhaus und verabschiedet ihr Wahlprogramm

VON MATTHIAS LOHRE

Emanzipation kann ganz schön schwierig sein. Sie geht selten ohne Schmerzen ab und oft mit wüsten Beschimpfungen. Jeder, der sich schon einmal von seinen Vorbildern getrennt hat, kennt das. So gesehen, ergibt der Streit rund um den WASG-Landesparteitag an diesem Wochenende Sinn.

Immerhin haben die Berliner WASG-Delegierten nichts Geringeres vor als die endgültige Abnabelung von der gemeinsamen Bundesspitze von WASG und Linkspartei. Die verlangen einen gemeinsamen Wahlantritt von Wahlalternative und Linkspartei.PDS bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 17. September. Deshalb fordern Lafontaine und Gysi von der Berliner WASG, ihre am 8. März eingereichte Wahlanzeige zurückzuziehen. Andernfalls wolle man prüfen, ob man das selbst bewerkstelligen könne. Eine Wahlanzeige darf laut Landeswahlleiter aber nur der Landesverband selbst zurücknehmen. Weil das auch die Bundes-WASG weiß, droht sie damit, den Hauptstädtern im Wahlkampf den Geldhahn zuzudrehen.

Bekanntlich verhallen Drohungen bei Heranwachsenden. Aller Voraussicht nach wird die Delegiertenmehrheit den Rücknahmeantrag einer Minderheit ablehnen. Zwar glaubt auch Lucy Redler vom WASG-Landesvorstand nicht an die Freigebigkeit des Bundesvorstands: „Aber wir hoffen darauf, die beantragten 30.000 Euro zu bekommen. Denn darüber entscheidet der Bundesparteitag, nicht der Bundesvorstand.“

Mit dem Beharren auf ihrer Wahlanzeige machen die Berliner WASGler die Trennung von der Linkspartei perfekt. Sondierungsgespräche mit Linkspartei-Vertretern, ein Positionspapier und wiederholte Beteuerungen, gesprächsbereit zu sein – alles vergebens. Seit Monaten plant die WASG den Alleingang. Nach dem Willen des Landesvorstands soll die selbst erklärte Trotzkistin Lucy Redler die Partei im Wahlkampf führen. Die 26-Jährige steht für einen harten Anti-PDS-Kurs. Für ihre Kür zur Spitzenkandidatin erhofft sich die Sozialökonomin ein Wahlergebnis, das so hoch ist wie die Parteitagszustimmung zum eigenständigen Antritt: 68 Prozent.

Die Landesliste wird bunt gemischt ausfallen. Beispielsweise kandidiert für Platz 5 der langjährige Organisator der 1.-Mai-Demonstration, Michael Kronawitter. Um die Plätze 2, 6 und 11 bewerben sich Mitglieder des Erweiterten Landesvorstands: Andrea Schulteisz, der Ex-Grüne und Ex-PDSler Michael Prütz und Michael Hammerbacher. Elf Listenplätze entsprechen den Wahlhoffnungen der WASG. „5 Prozent plus x sind unser Ziel“, sagt Redler, „6 bis 7 Prozent sind ebenfalls realistisch“. Derzeit liegt die Partei in Umfragen bei 2 Prozent. Das von der WASG beauftragte Meinungsforschungsinstitut Forsa bescheinigte der Partei jüngst ein Wählerpotenzial von 12 Prozent. „Das schöpft man natürlich nie ganz aus“, sagt Redler.

Zur endgültigen Abnabelung von der geliebten und gehassten Exheimat vieler WASGler gehört nicht nur die Landesliste, sondern auch die Verabschiedung eines eigenen Wahlprogramms (s. unten). Im Entwurf scheint die Enttäuschung über die als neoliberal verdammte SPD-Linkspartei-Politik immer wieder durch. So ist das nun mal mit alten Vorbildern: Es geht nicht mit ihnen, aber noch lange Zeit auch nicht ganz ohne sie.