Freundliche Distanz mit peinlichen Pannen

Unvorhergesehene Fehler beim ansonsten ergebnislosen Besuch des chinesischen Staatschefs Hu in Washington

WASHINGTON taz ■ US-Präsident George W. Bush hat beim Besuch seines chinesischen Kollegen Hu Jintao am Donnerstag darauf gedrängt, den chinesischen Markt weiter zu öffnen, die Menschenrechte und Freiheiten zu fördern und sich stärker gegen die nukleare Bedrohung aus Nordkorea und Iran einzusetzen. Der Besuch, der erste eines chinesischen Präsidenten im Weißen Haus seit neun Jahren, brachte allerdings trotz einer langen Themenliste keines der erhofften Ergebnisse. Insbesondere bei den Themen Iran und Nordkorea ergaben sich keine Übereinkünfte. Hu bestand weiterhin auf „diplomatische Bemühungen“ um den Iran und forderte die USA im Falle Nordkoreas zu „mehr Flexibilität“ auf.

Bush mahnte eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen China und Taiwan an. „Wir glauben, dass die Zukunft Taiwans friedlich gelöst werden sollte“, sagte er nach seinem Treffen mit Hu. Bush kündigte keine Änderung in der Taiwanpolitik der USA an, die besagt, dass die USA im Konfliktfalle die Insel verteidigen. Der chinesische Präsident erklärte, Peking strebe Frieden an, werde aber niemals zulassen, „dass jemand Taiwan dazu bringt, sich von China abzulösen“. China befürchtet, dass Taiwan auch formal seine Unabhängigkeit erklären könnte. De facto ist die Insel seit 1949 unabhängig, wird von Peking aber als abtrünnige Provinz betrachtet.

Bei dem Besuch, für den zuvor in monatelangen Verhandlungen das Protokoll geklärt wurde, inklusive der 21 Salutschüsse und der militärischen Musikbands, ereigneten sich dennoch einige unvorhergesehene Störungen. Zunächst war beim Empfang einem Sprecher des Weißen Hauses ein peinlicher Fehler unterlaufen: Bei der Ankündigung der chinesischen Nationalhymne sprach er statt von der Volksrepublik China von der Republik China. Das ist der offizielle Name Taiwans. Kurz darauf, als Hu seine Ansprache auf dem Rasen des Weißen Hauses vor einer handverlesenen Gästeschar hielt, schrie plötzlich eine Demonstrantin „Präsident Hu, deine Tage sind gezählt!“ und „Haltet ihn davon ab weiter zu morden!“. Die Frau gab sich als Falun-Gong-Mitglied zu erkennen, eine in China verbotene und verfolgte semireligiöse Sekte. Vor Schreck wie gelähmt, brauchten die Sicherheitskräfte ganze drei Minuten, sie zum Schweigen zu bringen. Die Frau war als Journalistin akkreditiert worden, obwohl ihr schon vor fünf Jahren Ähnliches mit Hus Vorgänger, Jiang Zemin auf Malta gelungen war. Ein verärgerter Bush entschuldigte sich im Oval Office bei seinem indignierten Gast. Es galt als wahrscheinlich, dass die Demonstrantin noch gestern verurteilt wurde.

Da keine gemeinsame Pressekonferenz vorgesehen war, erklärte Hu nach dem Treffen im Gespräch mit Journalisten, Bush habe Verständnis für die Sorgen Chinas gezeigt. „Ein wichtiges Übereinkommen wurde erzielt“, sagte Hu, nämlich dass die USA und China umfassende strategische Interessen teilten.

Vom Weißen Haus kam allerdings keine solche Erklärung. Präsident Bush sagte zu Reportern: „USA und China pflegen eine sehr wichtige Beziehung.“

ADRIENNE WOLTERSDORF