Beiräte sind kein Gedöns

In Niedersachsen befürchten behinderte Menschen die Abschaffung ihres Mitspracherechts in den Kommunen. Denn mit einem neuen Gleichstellungsgesetz soll die Verpflichtung zur Bildung von Behindertenbeiräten wegfallen

Ob Frauenbeauftragte oder Personalräte – nach den Vorstellungen der niedersächsischen Landesregierung könnte man sich das ganze „Gedöns“ sparen. Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus wird Kommunen und Landkreisen nun freigestellt, ob sie nicht auf die oft lästige Mitbestimmung verzichten wollen.

Wegen des Protests der Gewerkschaften soll bei den Personalräten zunächst nur probeweise in einigen Modellkommunen gespart werden. Die gleich landesweite Abschaffung eines wichtigen Mitwirkungsrechts befürchtet indes eine besonders benachteiligte Minderheit: die der Behinderten. Im Sozialministerium gärt zurzeit ein neues Gleichstellungsgesetz. „Die Verbände sind hellwach, weil sie befürchten, dass es wachsweiche Regelungen enthalten wird“, sagt der Behindertenbeauftragte des Landes, Karl Finke.

Eigentlich sind er und viele Behinderte froh, dass es in Niedersachsen endlich ein Gesetz geben soll, dass sich für die integrative Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung oder für so genannte Barrierefreiheit – den ungehinderten Zugang zu öffentlichen Einrichtungen – einsetzt. Das CDU-FDP-regierte Niedersachsen ist eines der letzten Bundesländer ohne ein solches Gleichstellungsgesetz. Dabei gibt es im Land immerhin 607.000 Menschen mit einem Handicap. Mit der Order würde ein bereits vier Jahre altes Bundesgesetz umgesetzt.

Fraglich ist derzeit, was genau im Gesetz stehen soll. Ziemliches Unverständnis hat bei den Verbänden ein Entwurf von Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) ausgelöst. Er sieht vor, den Städten und Kommunen zu überlassen, ob sie weiter ehrenamtliche Behindertenbeiräte einrichten wollen.

Nicht nur Finke erwartet, dass das vielerorts einer faktischen Abschaffung der Beiräte gleichkäme. Bislang kümmern sich in Niedersachsen 80 Beiräte in Bau- oder Sozialausschüssen um die behindertengerechte Ausgestaltung von öffentlichen Gebäuden, Bussen und Bahnen sowie Schulen. Sie haben kein Vetorecht, sprechen aber sehr wohl mit. „Beiräte haben dafür gesorgt, dass die Expo in Hannover die erste barrierefreie Weltausstellung überhaupt war“, berichtet Finke. Delegationen aus Südkorea hätten das Konzept mit Staunen vor Ort besichtigt.

Immerhin: Das Sozialministerium kündigte an, dass bei den Beiräten das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Finke fände das richtig: „Das Land hat sich bei Entscheidungen vor Ort herauszuhalten.“ Kai Schöneberg