berliner szenen Schimmernde Müdigkeit

Ranzzeit in F'hain

Fabian stapft durch die Rigaer Straße. Nicht eben eine Gegend, die einen fotogenen Milchkaffee erwarten lässt, aber zu einem solchen ist Fabian verabredet, in einer Bar, die nach einem Cottbusser Stadtteil benannt ist. Überall stehen die neuen Stromkästen der Telekom. An der Seite hängen fotokopierte Plakate gegen „Yuppiesierung und Modernisierungswahn“ vor baufälligen Ruinen, aus denen beschmierte Laken hängen. Die Plakate verwenden das Cover der letzten Franz-Ferdinand-Platte. Die Vorliebe der Szene für Abgeranztheit und Schmuddeltum hat Fabian nie verstanden. Auch eine Art von Uniformierung, denkt er und beobachtet ein junges Mädchen mit ordentlich zerschnittener Frisur, die einen unangeleinten Schäferhund vor sich her treibt. Ihre sauertöpfische Gestalt wandelt zu den Klängen japanischer Popmusik auf ihrem iPod. Die Hundheit ist nicht wesentlich weitergekommen: Immer noch wedelt sie mit dem Schwanz, wenn sie sich freut, immer noch bellt sie vor Angst.

Eine altbürgerliche Dame kommt aus einem Supermarkt, sie trägt Schuhe mit hohen Absätzen, einen grauen Rock und ein Pelzimitat, aufrecht wie eine Tennisspielerin stellt sie sich an den Gehsteigrand und winkt einem wie bestellt um die Ecke kommenden Taxi. Vor der Supermarktfiliale hampelt ein Kleinkind. Es macht ein kurzes „ä“, weil sich die automatische Schiebetür nicht öffnen will.

Im Café Sando ist nahezu nichts los. Sina, die Schauspielerin, hat schon gewartet, sie löffelt in einem koffeinlosen Hochkaffee, sie ist schwanger. Sie erzählt in panischen Worten, dass sie eben eine Hausdurchsuchung hinter sich hat. Fabian schaut ihr in die Augen und ist entsetzt. An den Augenrändern schimmert Müdigkeit. RENÉ HAMANN