WTO-Gespräche in der Sackgasse

Heute beginnen die Verhandlungen zur Senkung der Industriezölle. WTO erwartet vorerst keine Ergebnisse. EU-Kommissar Peter Mandelssohn weist USA die Schuld zu

GENF taz ■ Die Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf über niedrigere Agrarsubventionen und Industriezölle sind erneut ins Stocken geraten. Bis zum 30. April sollten eigentlich die entscheidenden politischen Durchbrüche geschafft sein, um im Dezember ein endgültiges WTO-Abkommen zu unterzeichnen. Es soll den weltweiten Handel für Industrie- und Entwicklungsländern erleichtern. Doch aus den Vorsätzen wird wohl nichts.

Schon in der vergangenen Woche brachten intensive Beratungen hochrangiger Unterhändler zur Senkung der Agrarsubventionen statt Fortschritte nur gegenseitige Vorwürfe. Deshalb erwartet die Genfer WTO-Zentrale auch von den heute beginnenden Verhandlungen über die Senkung von Industriezöllen keine greifbaren Ergebnisse. Ein für Anfang Mai geplantes Ministertreffen zur politischen Absegnung der erreichten Fortschritte ist zunächst einmal verschoben.

EU-Handelskommissar Peter Mandelssohn beschuldigte am Freitagabend die USA, für die Stagnation verantwortlich zu sein.

Im Unterschied zur EU hätten die USA „bis heute noch keinen einzigen Cent ihrer massiven Agrarbeihilfen gekürzt“, sagte Mandelssohn. Im Gegenzug warf Washingtons bisheriger Chefunterhändler Robert Portman der EU „mangelnde Kompromissbereitschaft vor“.

Auf der WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2005 in Hongkong hatten sich EU, USA und Japan verpflichtet, sämtliche Ausfuhrsubventionen für Agrarprodukte bis 2013 abzuschaffen. Die USA sagten damals zu, ihre wettbewerbsverzerrenden Exportkredite und Nahrungsmittelhilfen abzubauen. Bevor Washington, Brüssel und Tokio ihre Grundsatzverpflichtung aber nicht durch konkrete Zusagen untermauern, wollen sich die Staaten des Südens nicht festlegen, in welchem Umfang sie die Einfuhrzölle für Industriewaren aus den Ländern des Nordens senken. Gegen die in Hongkong vereinbarte so genannte Schweizer Formel, nach der hohe Zölle in prozentual stärkerem Umfang reduziert werden sollen als niedrige, gibt es bei zahlreichen Ländern des Südens erhebliche Bedenken.

Angesichts der Blockade bei den Hauptthemen Agrarsubventionen und Industriezölle gibt es auch keinerlei Bewegung bei der Liberalisierung von Dienstleistungen, an der besonders die EU-Kommission interessiert ist. Eine global vereinbarte Öffnung des Dienstleistungsbereichs – vor allem in sensiblen Bereichen wie Bildung, Gesundheitswesen oder Wasserversorgung – wird wegen schlechter Erfahrungen mit Privatisierungsmaßnahmen nicht nur von vielen WTO-Mitgliedern aus dem Süden, sondern auch in immer mehr EU-Ländern abgelehnt. Die WTO steht unter zunehmendem Einigungsdruck, weil Ende Juni 2007 das Mandat der Bush-Administration ausläuft, internationale Handelsverträge ohne Zustimmung des Kongresses abzuschließen. Mit der überraschenden Abberufung des bisherigen Handelsbeauftragten Portman in der letzten Woche verstärkte die Bush-Administration den Eindruck, sie setze nicht mehr auf erfolgreiche WTO-Verhandlungen, sondern verstärkt auf regionale und bilaterale Handelsabkommen. ANDREAS ZUMACH

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