Offen und ehrlich auf dem rechten Fleck

Seit einem Jahr ist Peter Harry Carstensen schwarz-roter Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Doch Große Koalition heißt nicht unbedingt schnelle Lösungen. Und seine Schirmherrschaften wählt der volkstümliche Nordfriese sehr sorgsam aus

Von Esther Geißlinger

Es ist nicht wahr, was die Grünen über Peter Harry Carstensen sagen: Dass Schleswig-Holsteins Ministerpräsident „für jedes Boßelturnier zu haben“ sei. In der Liste seiner Schirmherrschaften steht nur ein Einziges, und das fand zu Gunsten des Jugendzentrums auf Amrum statt. Ansonsten beschirmt der CDU-Ministerpräsident eine Reihe von Reitturnieren, die Aalregatta und den 4. Muko-Cup in Dänischenhagen, den Tag der Jugendfeuerwehr, die 26. Trachtenwoche und natürlich den Deutschen Schützentag. Und am 17. Mai wird er beim Deutschen Brauertag das Ehrenamt eines „Bier-Botschafters“ übernehmen. Nur die Schirmherrschaft für die Parade der Schwulen und Lesben, den Christopher Street Day in Kiel, hat der Christdemokrat abgelehnt.

Dabei mag Peter Harry Carstensen sein Amt. Das sagt er, das strahlt er aus. Er mag es, mit den Leuten zu reden, die jetzt seine Landeskinder sind. Er ist viel unterwegs. Er repräsentiert, er überreicht Preise: Damit will der Mann, der selbst 1996 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt, das Ehrenamt stärken.

Denn bürgerliches Engagement findet er gut und wichtig – wenn es das richtige ist. Bei der Ehrenamtsmesse in Kiel wurde es ziemlich laut, als der Ministerpräsident Freiwillige der Umweltverbände NABU und Greenpeace „verbal heftig attackierte und aggressiv bedrängte“, wie der NABU auf seiner Internet-seite beklagt. Carstensen hat sich zwischenzeitlich entschuldigt.

Seit der Nordfriese von der Halbinsel Nordstrand Ministerpräsident ist, hat er eine Internetadresse: „www.peter-harry.de“ führt zwar nur zu den üblichen Seiten der CDU, aber es passt prima zum Image des volkstümlichen Landesvaters, weil es zeigt: Peter Harry Carstensen hat das Herz auf dem rechten Fleck.

„Offenheit und Ehrlichkeit“ hatte Peter Harry Carstensen in seiner ersten Regierungserklärung im Mai 2005 versprochen. Den Landeshaushalt wollte seine große Koalition sanieren, die Verwaltung neu strukturieren, Weichen stellen für die Schulen und Universitäten im Land, natürlich für mehr Arbeitsplätze sorgen, den Tourismus ankurbeln – was eine neue Regierung eben so verspricht. Heute, nach einem Jahr Schwarz-Rot in Kiel, muss sich Carstensen Wortbruch vorwerfen lassen. So vom Deutschen Beamtenbund, weil das Weihnachtsgeld gekürzt wurde – abgemacht war, dass die Beamten und Angestellten länger arbeiten, die Sonderzahlungen aber unangetastet bleiben.

Viele Punkte sind zwischen den fast gleich starken Regierungspartnern umstritten. Zum Beispiel Studiengebühren: Die SPD würde ihnen höchstens dann zustimmen, wenn alle anderen Nordländer sie einführen. Der zuständige Minister Dietrich Austermann (CDU) aber will die Gebühr und lässt am Gesetzentwurf schreiben.

Oder die Schulen: Vizeregierungschefin Ute Erdsiek-Rave (SPD) favorisiert die Gemeinschaftsschule, die CDU ist alles andere als begeistert. Der Umweltschutz: Die neue Verordnung zum Abschuss von Kormoranen trieb den Landesbeauftragten für Naturschutz zum Rücktritt, die SPD zweifelt am Sinn der Verordnung. Derweil pokert Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU) mit der EU um ein möglichst kleines Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt.

Ein paar Jahre sind noch Zeit bis zur nächsten Wahl, aber dass Große Koalition nicht automatisch schnelle Lösungen bedeutet, dürfte inzwischen klar sein. Trotzdem: Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu sein, ist für Peter Harry Carstensen die Rolle seines Lebens. Größeres als dieses Amt kann er, vormals Vorsitzender des Agrarausschusses im Bundestag, vermutlich nicht mehr erreichen in seinem politischen Leben. Ein Höhepunkt aber steht dem 59-jährigen verwitweten Vater zweier Töchter noch bevor: die zentrale Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in Kiel. Peter Harry Carstensen freut sich bereits auf die große Sause. Denn in diesem Jahr ist er auch Bundesratspräsident.