Bo Xilai will wieder zurück auf die Anklagebank

CHINA Der zu lebenslanger Haft verurteilte Spitzenpolitiker Bo Xilai geht in Berufung

AUS PEKING FELIX LEE

Überraschend ist die Berufung nicht. Augenzeugen berichten, Bo Xilai habe direkt nach seiner Verurteilung im September „unfair“ und „ungerecht“ gebrüllt, bevor er abgeführt wurde. Das Gericht im ostchinesischen Jinan, an dem der Prozess des in Ungnade gefallenen einstigen Spitzenpolitikers stattfand, hatte per Kurznachrichtendienst viel über den Prozessverlauf berichtet, aber nicht über Bos lauten Abgang. Offenbar fürchtete das Gericht Sympathiebekundungen.

Kommt es nun zur Neuauflage von Chinas spektakulärstem Prozesses seit 30 Jahren? Ungewöhnlich ist es schon, dass ein chinesisches Gericht überhaupt eine Berufung zulässt. China hat nach wie vor keine unabhängige Justiz. Bei Prozessen dieses Kalibers gehen Beobachter davon aus, dass Urteil und Verlauf von oben vorgegeben werden. Doch das Gericht verkündete auf seiner Webseite: „Der Widerspruch gegen das Urteil ist eingegangen und wird bewertet.“

Bo wurde wegen Korruption, Machtmissbrauch und Bestechung verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der 64-Jährige die Ermordung eines britischen Geschäftsmanns durch Bos Frau zu vertuschen versuchte. Den Skandal hatte Bos früherer Polizeichef in der Millionenmetropole Chongqing enthüllt, wo Bo Parteichef war. Er galt damals als aussichtsreicher Kandidat für höchste Parteiämter in Peking. Seine Frau wurde bereits 2012 zu einer Todesstrafe auf Bewährung verurteilt, was lebenslängliche Haft meint.

Den Eindruck einer gesteuerten Justiz will Chinas Führung im Fall Bo aber widerlegen. So unterscheidet sich sein Prozess deutlich von denen vergangener Schauprozesse. Bo durfte sich vor Gericht ausführlich verteidigen und sogar vermeintliche Autoritäten infragestellen. Selten berichteten Chinas Staatsmedien so ausführlich über einen Prozess, berichtet wie bei Bo.

Experten geben der Revision kaum Chancen. Das zeige sich schon daran, dass kein Termin für die Entscheidung genannt wurde. Laut Hongkongs South China Morning Post wurde Bos Familie gesagt, dass es eine lautstarke Verteidigung Bos nicht noch einmal geben werde. Wahrscheinlich wird die Berufung zeitlich möglichst weit geschoben und dann in einer kurzen Mitteilung abgewiesen.