LESERINNENBRIEFE
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Vom Portrait überrascht

■ betr.: „Reisender in eigener Sache“, sonntaz vom 24. 4. 10

Portraits zu zeichnen ist schwierig, eine Annäherung an die Person immer auch subjektiv. Soviel vorweg. Ich bin jedoch beim Lesen des Portraits zu meiner Person schwer überrascht gewesen. Ich habe das Gespräch mit der Journalistin Kirsten Küppers als unterhaltsam, anregend und gut gelaunt empfunden, da passt das doch düstere, bisweilen deprimierende Bild meiner Person im Text so gar nicht. Ich möchte mich jedoch nicht mit Deutungen aufhalten, sondern an drei Beispielen nachzeichnen, was die Journalistin wissentlich oder auch unbewusst verzerrt dargestellt hat – die Rhetorik ist ja schließlich mein täglich‘ Brot:

1. Zu Beginn des Artikels wird mit den Worten „Peters reist von Universität zu Universität, hält Vorträge über die Gefahren von Studentenverbindungen und Burschenschaften. Außerdem gibt er Rhetorikkurse“ suggeriert, dass ich hauptsächlich meine Tätigkeit in den Vorträgen sehe. Das ist schlicht falsch dargestellt, Frau Küppers bekam sogar von mir Zahlen: So stehen knapp 80 Seminartage (Rhetorik/ Präsentieren, plus Beratungstage) im Jahr 6 Vortragsabende gegenüber. Meine Haupttätigkeit ist die Trainertätigkeit, die Vorträge halte ich stets auf Einladung (weshalb auch die Behauptung „es lässt ihn nicht los“) alleinstehend unzutreffend ist.

2. Frau Küppers wählt Formulierungen, die nicht meine waren und sind: So wird meine abstrakte Ölmalerei (heute sind es übrigens Landschaften und Portraits) als „wild“ bezeichnet – Frau Küppers hat jedoch nicht ein einziges Bild gesehen, sie kann also gar nicht wissen, ob sie „wild“ sind. Ferner hat es keine „einsamen Abende“, die es zu füllen galt, gegeben – auch das nur eine Behauptung/ Vermutung der Autorin. Weiter: Die Worte von den alten Herren, die „betrunken in ihren Stühlen hingen und Lieder grölten“ sind ebenso wie die Formulierung „krachende Schläge auf die Schulter“ der Fantasie der Autorin entsprungen. Der Satz: „Die Linken haben genauso einen Schaden wie die Rechten“ wurde aus dem Zusammenhang gerissen und stellt seitens der Autorin eine unzulässige Verallgemeinerung dar. Es ging bei diesem Satz um die Vergemeinschaftungsformen, und hier darf man linke Gruppierungen meines Erachtens zurecht kritisieren, weisen sie bisweilen auch eine Art Uniformierung auf (der ich mich nie unterworfen habe), eine oft zweifelhafte Gruppendynamik sowie ein manchmal konservatives Geschlechterbild auf (wenn z.B. in den „Volksküchen“ die Frauen die Tische abräumen, etc.). In diesem Zusammenhang habe ich die Aussage getätigt und so ist sie auch zu verstehen.

3. Meine Entscheidungen waren stets bewusste Entscheidungen, ich fühle und fühlte mich nie als Opfer: Ich bin nicht in eine Verbindung „gerutscht“ – wie dargestellt, ich bin beiden Verbindungen bewusst beigetreten und ich habe sie genauso bewusst wieder verlassen, das gilt auch für den Ein- und Austritt in die SPD – und es gilt ebenso für den Eintritt als positionierter und bekennender Linksliberaler in die FDP im Januar 2009. Da ich aus meinen Verbindungen ausgetreten bin, haben sie mich auch nicht „fallenlassen“ können, wie die Autorin schreibt – das ergibt sich schlicht aus dem Ursache-Wirkungs-Prinzip. Die Aussagen zu meiner Familie stimmen nicht: Mein Bruder redet sehr wohl wieder mit mir, gleiches gilt für meine Familie.

Vielleicht hat die Autorin jedoch Recht, wenn sie schreibt, dass ich aus dem Schatten der Verbindungen schwer wegkomme (will ich vielleicht auch nicht), denn faszinierend wie kritikwürdig finde ich sie nach wie vor – jedoch nicht nur studentische Korporationen im Besonderen, sondern elitäre, männliche Netzwerke im Allgemeinen. STEPHAN PETERS, Strasburg

Vom Menschen gemacht

■ betr.: „Männer und kein Ende“, taz vom 28. 4. 10

Liebe Hilal Sezgin, wieder einmal habe ich mich über Ihre Gedankenanstösse gefreut, diesmal zum Geschlechterverhältnis. Ihre offenen Fragen am Ende möchte ich – ähnlich tastend wie Sie – so beantworten: In der Tat ist das Fortbestehen der Ungleichheit völlig idiotisch irrational. Was könnten die Ursachen sein? Die Idee mit dem Faustrecht finde ich gut.

Aus meiner Sicht besteht das Faustrecht aber bis heute fort: in Kriegen, in Menschenrechtsverletzungen wie Guantanamo, in Parallelgesellschaften wie z. B. Landstrichen, die von Mafia oder Rechtsradikalen dominiert werden. Und (fast) jede Stadt kennt solche Zonen, in denen körperliche Gewalt immer noch eine Chance hat, so dass Frauen (und sanfte/ängstliche Männer) im Zweifelsfall lieber kuschen. Damit wird die männliche Dominanz Tag für Tag neu hergestellt.

Die psychologischen oder anthropologischen Konstanten, die Sie als zweites anführen, sehe ich so nicht als Ursache. Vielmehr glaube ich, dass die Männern und Frauen gemeinsame psychische Panzerung, die Unterdrückung der meisten spontanen Lebensäußerungen, also das, was Wilhelm Reich „emotionale Pest“ nennt, Ursache ist für ein System von gesellschaftlichen Beziehungen, das auf Gewalt und Unterdrückung sowohl von Männern wie von Frauen beruht. Allerdings gilt für beide Ursachen der Ungleichheit und damit der Unterdrückung das Gleiche: Sie sind von Menschen gemacht und können von Menschen geändert werden. In diesem Sinne wünsche ich mir weitere Artikel von Ihnen, die dazu anstiften. MARTIN ESCH, Köln