800.000 Liter Öl, täglich

ÖLPEST Bedingt durch ein drittes Leck strömt aus dem Bohrloch im Golf von Mexiko fünfmal so viel Öl ins Meer wie gedacht. Eine Umweltkatastrophe zu verhindern scheint schwierig

Die Küstenwache warnt vor der schwersten Ölpest in der Geschichte der USA

NEW ORLEANS apn/afp/taz | Die Ölpest im Golf von Mexiko droht außer Kontrolle zu geraten. An der gesunkenen Bohrinsel „Deepwater Horizon“ ist ein drittes Leck entdeckt worden. So sprudelt aus dem Bohrloch nach Einschätzung der US-Küstenwache fünfmal so viel Öl wie ursprünglich angenommen: Bis zu 800.000 Liter Öl laufen täglich ins Meer. Zudem drehte der Wind. Er trieb den bis zu 160 Kilometer langen und 72 Kilometer breiten Ölteppich auf die Küste des US-Staates Louisiana zu, er näherte sich am Freitag zusehends dem Mississippi-Delta.

Darum sollen nun auch die US-Streitkräfte helfen. Der Ölkonzern BP, Betreiber der Bohrinsel, nannte das Hilfsangebot „willkommen“. US-Präsident Barack Obama wurde von Heimatschutzministerin Janet Napolitano über die Situation informiert. Die Regierung habe angeboten, die Expertise und die Ausrüstung des Verteidigungsministeriums zur Verfügung zu stellen, um die Ölpest einzudämmen, sagte Konteradmiralin Mary Landry von der US-Küstenwacht.

Wegen der Winde könnten auch Versuche, den Ölteppich abzufackeln, zu spät kommen. Ein kontrollierter „Testbrand“ wurde am Mittwoch an der Stelle unternommen, an der das Öl am stärksten konzentriert ist. Dazu wurde Öl im Zentrum des Teppichs von zwei Schiffen gegen einen feuerfesten Auslegerbaum geschoben und angezündet. BP nannte den Versuch „erfolgreich“. Die Umweltorganisation WWF hingegen kritisiert, giftige Inhaltsstoffe des Rohöls verblieben bei der Verbrennung im Meer.

Ohne Ergebnis blieb zunächst der Einsatz von vier Untersee-Robotern, die die Stelle versiegeln sollten, an der das Öl austritt. Auch ein 450 Tonnen schweres Ventilsystem, das eigentlich bei einem Unfall den Ölstrom sofort stoppen soll, konnte nicht aktiviert werden. Zugleich arbeiteten Ingenieure fieberhaft an der Konstruktion einer Schutzglocke, die über das Leck gestülpt werden könnte. Das austretende Öl könnte dann aus dieser Kuppel abgepumpt werden, bevor es das Meer verschmutzt. Der Bau der Schutzglocke kann aber zwei bis vier Wochen dauern. Noch mehr Zeit würde für eine weitere erwogene Variante benötigt, bei der eine neue Bohranlage eingerichtet und das Öl aus der havarierten Quelle in andere Leitungen umgeleitet wird. Experten gehen davon aus, dass diese Einrichtung drei Monate dauert.

Angesichts dieser Gegebenheiten wächst die Furcht vor einer Umweltkatastrophe. Mary Landry von der US-Küstenwache warnte bereits vor der schwersten Ölpest der US-Geschichte. Im Golf von Mexiko befinden sich nicht nur Naturschutzgebiete mit seltenen Wasservögeln und anderen Tieren, hier ist auch ein bedeutender Teil der US-Fischereiwirtschaft beheimatet, der jährlich Meeresfrüchte und Fisch im Wert von 1,8 Milliarden Euro produziert. Die Bohrinsel „Deepwater Horizon“ war vor einer Woche gesunken, nachdem sie zwei Tage zuvor durch eine Explosion in Brand geraten war.

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