Die SPD braucht eine Programmdebatte – zur Selbstfindung
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Nur weil Sozialdemokraten über Ziele und Werte reden, muss das noch lange kein leeres Geschwätz sein. Die SPD braucht eine Debatte über ihr Grundsatzprogramm – nicht um aus der Regierungsrealität in abstrakte Floskelei zu flüchten, sondern um aus der Regierungsfloskelei wieder zu ihren Themen und damit zu ihren Wählern zu finden.

Diese sind, das haben die meisten nach sieben Jahren Gerhard Schröder vergessen, weder Großkonzerne noch Großaktionäre oder Unternehmensberater, sondern Leute, die zum großen Teil auf einen handlungsfähigen Staat angewiesen sind. Deshalb ist es richtig, wenn die SPD sich jetzt ein neues Parteiprogramm gibt, auch wenn angesichts dieses vierten Versuchs in sechs Jahren mancher bei der Ankündigung nur noch müde lächelt.

Dabei kommt es auf die stattfindende Diskussion an. Je länger, je lieber – denn ist der Text erst fertig, versinkt er natürlich unbeachtet in den Schubladen. Zu dieser Diskussion bedarf es einprägsamer Vokabeln. Da kam der Ex-SPD-Chef Franz Müntefering vor einem Jahr mit seiner Heuschreckenkritik erst einmal markanter herüber als jetzt Kurt Beck mit seinem „vorsorgenden Sozialstaat“. Ermüdend ist freilich, dass die Programmschöpfer ständig „Verteilungsgerechtigkeit“ gegen „Chancengerechtigkeit“ ausspielen wollen.

Beck und die Seinen tun so, als hätten sie die Investition in Bildung neu entdeckt. Dabei war es im Übrigen die angeblich auf reine Verteilungsgerechtigkeit fixierte SPD der 1960er- und 70er-Jahre, die die Bildungsinvestitionen vervielfacht hat. Dass Chancen mit Geld zusammenhängen, musste man da offenbar niemandem erklären. Es behauptete übrigens auch kein Mensch: „Wir setzen auf stumpfe Umverteilung statt faire Chancen.“ Die neue „Chancengerechtigkeits“-SPD dagegen hat seit Regierungsantritt lediglich sämtliche Chancen-Ungleichheiten in der Gesellschaft vergrößert.

Darum ist es überfällig, dass sich diese SPD jetzt des schönen Themas Umverteilung erinnert und über Steuerquellen nachdenkt. Wenn sie dies unter dem Titel „vorsorgender Sozialstaat“ tun möchte – bitte schön. An Gesundheits-, Renten- und Arbeitsmarktreform wird man die SPD dann messen können. ULRIKE WINKELMANN