Thailand steckt in der politischen Sackgasse

Trotz Nachwahlen können wegen anhaltenden Boykotts immer noch nicht alle Parlamentsmandate besetzt werden

BANGKOK taz ■ Thailands politische Krise dauert an. Nach den von den führenden Oppositionsparteien am Wochenende boykottierten Nachwahlen bleiben laut vorläufigen Ergebnissen weiterhin mindestens 13 Mandate im künftigen Parlament unbesetzt. Das gab gestern die Wahlkommission bekannt. Die jeweiligen Repräsentanten der regierenden „Thai Rak Thai“ (TRT – „Thais lieben Thais“) mussten in ihren Bezirken ohne Gegenkandidaten antreten und erreichten nicht die für ein Mandat notwendigen 20 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen.

Jetzt war am Sonntag in 17 Provinzen nachgewählt worden, darunter in 14 südlichen Provinzen, die traditionell mit der oppositionellen Demokratischen Partei oder kleinen Alternativparteien sympathisieren. In der Provinz Songkhla zerrissen fünf Straßenverkäuferinnen, alle mit schwarzen T-Shirts bekleidet, in aller Öffentlichkeit ihre Wahlzettel. „Wir wollen kein Thaksin-Regime und keinen korrupten Premier“, so die fünf muslimischen Frauen. Ob und wann es einen dritten Wahlgang geben wird, stand gestern noch nicht fest.

Die Wahlkommission erntete heftige Kritik für ihren angeblichen Vorschlag, das Parlament zusammentreten zu lassen, bevor die letzten Mandate besetzt würden. Kritiker werfen der Kommission vor, ein Spielball der regierenden TRT zu sein. Tatsächlich aber ist ein dritter Urnengang höchst umstritten. Beobachter warnen schon jetzt von einer „Wahlmüdigkeit“ in der Bevölkerung: „Noch eine Runde würde übermäßigen Druck auf die Wähler ausüben, die jetzt schon zweimal entschieden haben“, erklärten Mitglieder einer Anti-Thaksin-Bewegung in der Südprovinz Trang in einer gestern veröffentlichten Stellungnahme. Als letzte Möglichkeit gilt, das Verfassungsgericht anzurufen, um die Krise zu entschärfen.

Die zweite Abstimmung vom Sonntag war nötig geworden, weil nach den von Nochpremier Thaksin Shinawatra angesetzten Parlamentswahlen vom 2. April wegen des Boykotts der Opposition rund 40 Mandate nicht besetzt werden konnten. Auch diesen Nachwahlen hatte sich die Opposition verweigert. Ihre Anhängerschaft hatte sie stattdessen dazu aufgerufen, ihr Kreuz bei dem auf den Wahlzetteln angegebenen Feld „Keine Stimme“ zu machen.

Den ersten Wahlgang hatten Thaksin und seine TRT zwar gewonnen. Aufgrund des hohen Votums der Protestwähler reichte dieser Wahlsieg jedoch nicht für eine Regierungsbildung. Die Verfassung schreibt vor, dass sich spätestens 30 Tage nach einer Wahl das Parlament konstituieren muss, in dem alle 500 Mandate besetzt sein müssen.

Sollte sich die Anti-Thaksin-Bewegung nicht durchsetzen können, drohe dem Land ein langer Zeitraum populistischer Politik, warnten unlängst Beobachter mit Verweis auf den TRT-Führungsstil. Bereits die teilweise von Gewalt überschattete Senatswahl vom Mittwoch vergangener Woche habe gezeigt, dass es kein Gremium mehr gebe, das die Politik der Regierung kontrolliere. Nur wenige neu gewählte Angehörige des Oberhauses gelten – wie es eigentlich vorgeschrieben ist – als unabhängig, wie etwa die Aktivistin Rosana Tositrakul. Kritiker bemängeln, dass es sich bei den meisten Kandidaten um Thaksin-Vertraute oder um Familienangehörige von Regierungsmitgliedern gehandelt habe.

Thaksin selbst hatte nach wochenlangen Protesten Anfang April die Amtsgeschäfte an seinen Stellvertreter Chidchai Vanasatidya übergeben. Seine Gegner aber, die ihm Korruption und Machtmissbrauch vorwerfen, mutmaßen, dass der Milliardär weiter hinter den Kulissen agiert. Für den 2. Mai haben sie die nächste Großdemonstration in Bangkok angekündigt.

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