Hartz verschärft, Einsparung ungewiss

Ein Ministeriumspapier verrät, wie die Arbeitsmarktreform „optimiert“ werden soll. Arbeitsverweigerer verlieren zwei Drittel ihres Geldes, durch Sofortangebote wird Arbeitswille getestet. Der Außendienst klopft künftig in großem Stil persönlich an

Offen bleibt, wie die Koalition eigentlich die 1,2 Milliarden Euro einsparen will

VON ULRIKE WINKELMANN

Verbessert werden musste das Hartz-IV-Gesetz seit Anfang 2005 schon einige Male, nun versucht die große Koalition sich in seiner Optimierung. Anfang, spätestens Mitte Mai soll ein Gesetzesbündel durchs Kabinett gehen, das an vielen Stellen der umfänglichen Arbeitsmarktreform Schrauben anzieht.

Bislang hält das Bundesarbeitsministerium das Hartz-IV-„Optimierungsgesetz“ unter Verschluss. Einzelpunkte jedoch sickern stetig aus SPD- und Unions-Fraktion und werden auch schon von Linksfraktion und Wohlfahrtsverbänden kritisiert. Ein ministeriumsinternes Papier vom März gibt überdies Aufschluss über die den Plänen zugrunde liegenden Annahmen.

So sind härtere Strafen gegen Arbeitslose vorgesehen, die ein Arbeitsangebot ablehnen. Bislang wird für diesen Fall das Arbeitslosengeld II – Regelsatz 345 Euro – für drei Monate um 30 Prozent gekürzt. Verweigert sich der Arbeitslose innerhalb dieser Zeit ein weiteres Mal, entfallen weitere 30 Prozent. Geplant ist nun, den Zeitraum für diese Sanktion auszudehnen, so dass sie häufiger greift: Auf 60 Prozent der Unterstützung muss dann verzichten, wer zweimal in einem Jahr ein Angebot ablehnt. Die komplette Kürzung umfasst auch Miet- und Heizungsgeld.

Aus dem Ministeriumspapier geht hervor, dass es für diese Maßnahme keine Datengrundlage gibt. Die bisherige Häufigkeit von Sanktionen sei „nicht bekannt“, steht dort. Demzufolge ist auch überhaupt nicht abzusehen, wie viel Geld der Staat durch eine Verschärfung sparen wird. Eine kleine Sanktionslockerung ist für unter 25-Jährige geplant. Ihnen wurde bei Verweigerung bislang alles gestrichen – nun wird empfohlen, mit Rücksicht auf die Sozialgerichte die Strafe „flexibel“ zu gestalten. Die Sanktionshäufigkeit könnte sich allein schon dadurch erhöhen, dass jeder, der sich frisch arbeitslos meldet, wenn schon keinen Job, so doch eine „Leistung zur Eingliederung“ sofort bekommen soll – und diese nicht ungestraft ablehnen kann.

Die Koalition verlässt sich hier auf den auch 2005 längst nicht ausgeschöpften Etat der Bundesagentur für Arbeit (BA) für aktive Arbeitsmarktpolitik – Weiterbildungen, Job-Trainings und dergleichen. Sieben Milliarden Euro stehen der BA auch 2006 dafür zur Verfügung, und wie es aus SPD-Kreisen heißt, „sind wir nicht sicher, ob die BA die Maßnahmen aktiv genug bewirbt“. Laut Ministeriumspapier dient das Sofortangebot dem Zweck, „die Bereitschaft des Hilfesuchenden zur Arbeitsaufnahme zu überprüfen“.

Viele weitere Vorhaben kreisen um die Eindämmung eines unterstellten Leistungsmissbrauchs: Datenabgleiche mit anderen Behörden, etwa dem Kraftfahrt-Bundesamt „zur Beurteilung der Angemessenheit des genutzten Kraftfahrzeugs“ des Arbeitslosen. Auch sollen „Außendienste“ im großen Stil eingerichtet werden, die bei „Verdachtsfällen auf Leistungsmissbrauch“ persönlich anklopfen.

Unklar ist, ob es zur Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft tatsächlich eine „Beweislastumkehr“ geben wird. Zwar glauben die Behörden, dass sehr viele Arbeitslose eine solche Gemeinschaft leugnen, um nicht aus dem Alg-II-Bezug zu fallen. Fraglich ist bloß auch bei der SPD, wie den Betroffenen der Nachweis einer Nicht-Partnerschaft gelingen soll. „Die Wirkung“, heißt es dazu in dem Papier, „kann nicht abgeschätzt werden. Die Zahl der zusätzlich ermittelten nichtehelichen Lebensgemeinschaften wird aber sicher unter 10.000 liegen.“

Offen bleibt bei solchen skeptischen Einschätzungen, wo die Koalition das im Koalitionsvertrag angepeilte Sparvolumen des Optimierungsgesetzes von 1,2 Milliarden Euro vermutet.