Zum Explodieren gebrachte Antike

HOMMAGE Das Schwule Museum widmet Werner Schroeter eine Ausstellung – glücklich begleitet von einer Elfie Mikesch-Schau

von BERT REBHANDL

Aus dem Jahr 1982 ist ein Schnappschuss von Werner Schroeter überliefert, eng umschlungen mit einem Gefährten, in der Hand eine Ausgabe des Spiegel. Auf dem Titelbild: „Der Kandidat“ – Franz-Josef Strauß, der 1980 gegen Helmut Schmidt zur Wahl um das deutsche Bundeskanzleramt antrat. Es liegt ein großartiges Moment der Distanz zu diesen profanen Machtkämpfen in der Weise, wie zwei eng umschlungene Schwule hier ein Nachrichtenmagazin in der Hand halten, das Jahre alt ist – und von Dingen erzählt, von denen man sich aus guten Gründen in eine ästhetische Sphäre absetzen möchte. Ironischerweise sind von Franz-Josef Strauß aber auch Stellungnahmen zum deutschen Film überliefert, in denen er sich auf hölzerne Weise gegen jede Form des Experiments aussprach und dafür hielt, dass wirklich gute Künstler es nicht notwendig hätten, durch Skandale auf sich aufmerksam zu machen.

National erst spät entdeckt

Werner Schroeter hat das sicher ebenso gesehen, er hat in der Regel einfach das getan, was ihm richtig (und anderen eventuell skandalös) erschien, und ist auf diese Weise zu einem der international angesehensten Vertreter des Neuen deutschen Films geworden. National wurde er erst spät in großem Stil wiederentdeckt, immerhin konnte er 2008 noch „Diese Nacht“ drehen, eine internationale Koproduktion, um die sich auch die beteiligte deutsche Firma sehr verdient gemacht hat. Am 12. April ist Schroe–ter nach einer langen Krebserkrankung gestorben. Die Ausstellung „Maria, Magdalena und all die anderen. Hommage zu Werner Schroeters 65. Geburtstag“, die seit März im Schwulen Museum Berlin zu sehen ist, ist nun zu einer Gedenkschau geworden.

Der Schnappschuss mit dem Kandidaten nimmt in den Räumen des Schwulen Museums eine prominente Stelle ein, er verdeutlicht besonders eindringlich, wie sehr bei Werner Schroeter das Leben und die Kunst ineinander übergegangen sind. Partnerschaften bezogen sich häufig auf alles gleichzeitig, man lebte, arbeitete, liebte zusammen, in einer Boheme, die ihre Maßstäbe nicht in den Moralvorstellungen der breiten Mehrheit fand, sondern in einer großartig zum Explodieren gebrachten Antike, wie Schroeter in seinem frühen Film „Eika Katappa“ nur zu deutlich machte (in dieser Vision passten dann auch der deutsche Wald, die Stigmatikerin Therese von Konnersreuth und Richard Wagner in eine durch die italienische Oper des 19. Jahrhunderts gelesene kulturelle Sehnsuchtslandschaft des Südens).

Es trifft sich, dass das Schwule Museum parallel zu der Schroeter-Schau unter dem Titel „Der androgyne Blick“ auch noch eine Ausstellung zu Elfi Mikesch anbietet, der Fotografin und Filmemacherin, die in diesem Jahr 70 wird und mehrmals bei Schroeter die Kamera gemacht hat. Sie war eine seiner Lebensfreundinnen; sie hat ihn häufig fotografiert, von ihr stammt auch ein gewichtiger Teil der Bilder in der Schroeter gewidmeten Ausstellung. Unter dem Pseudonym Oh Muvie hat Elfi Mikesch zum Beispiel einmal einen „Fotoroman“ herausgegeben, der heute eine echte Rarität ist und im Schwulen Museum gezeigt wird. Die Ausstellung hat ihre größten Verdienste vielleicht dort, wo sie auf einen häufig übersehenen Aspekt von Schroeters Leben eingeht: auf seine langjährige Theaterarbeit, nicht zuletzt an deutschen Mittelbühnen wie in Kassel, wo er Stücke und Opern inszenieren konnte und dadurch auch ein Auskommen fand. Seine Deutung von Kleists „Käthchen von Heilbronn“ etwa hätte man gern auch einmal gesehen, und das ausgestellte Regiebuch zu Tony Kushners modernem Klassiker „Angel in America“ (den Schroeter 1993 am Deutschen Theater Hamburg auf die Bühne brachte) würde man gerne umblättern können (es liegt aber natürlich in einer Vitrine).

Der Universalmensch

Eine ganze Wand ist mit Zitaten gefüllt, die Schroeter würdigen - von Michel Foucault bis Friede Grafe kann man da die intensive Wertschätzung nachlesen, die er genossen hat. Und auch Franz-Josef Strauß taucht an dieser Stelle auf, sein Unverständnis für das, was einen Künstler wie Werner Schroeter ausgemacht hat, kann man ohne Weiteres als auch Würdigung begreifen. Seit 2000 befindet sich die Sammlung Werner Schroeter im Besitz der Deutschen Kinemathek. Die kleine, im Detail sehr kenntnisreiche Ausstellung im Schwulen Museum wirkt nun auch wie ein Versprechen – darauf, dass die Schätze, die dieser Universalmensch hinterlassen hat, demnächst ausführlicher erschlossen werden, in einem großen Buch und mit entsprechenden DVD-Materialien (die Filmgalerie 451 hat mit einer ersten Dreierbox ja schon vorgelegt). Denn Werner Schroeter ist ein Kandidat für stark anwachsenden Nachruhm.

„Maria, Magdalena und all die andern. Hommage zu Werner Schroeters 65. Geburtstag“: bis 28. Juni, Mehringdamm 61, tägl. außer Di 14 bis 18 Uhr, Sa bis 19 Uhr