Ein Toter bei Anschlag im Nordkaukasus

RUSSISCHE FÖDERATION 23 Menschen bei Explosion in Kabardino-Balkarien zum Teil schwer verletzt

„Wir gewöhnen uns an den Terror. Überall herrscht Korruption“

AUGENZEUGIN

MOSKAU taz | Bei einem Anschlag in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien (KB) wurden am Wochenende ein Mensch getötet und 23 zum Teil schwer verletzt. Bei dem Getöteten handelte es sich um einen 104-jährigen Veteranen, der als Ehrengast zum Pferderennen im Hippodrom der Hauptstadt Naltschik eingeladen war. Der Sprengsatz mit einer Stärke von drei bis fünf Kilogramm TNT war auf dem VIP-Tribünendach des Stadions deponiert worden, wo sich zum Zeitpunkt der Explosion 3.000 Zuschauer aufhielten.

Offensichtlich galt der Anschlag der politischen Führung der Republik. Unter den Verletzten sind auch zwei Minister, Präsident Arsen Kanokow blieb unversehrt. Die Ermittler gehen davon aus, dass hinter dem Anschlag islamistische Extremisten stecken und es sich um einen Racheakt handeln könnte. Im März waren zwei Anführer des wahhabitischen Untergrunds von Sicherheitsorganen ausgeschaltet worden. Nach offiziellen Angaben gehören in der Hochgebirgsregion am Elbrus etwa 50 Kämpfer dem bewaffneten Untergrund an.

In KB gärt es bereits seit Jahren. Im Oktober 2005 kam es zu einem bewaffneten Aufstand junger Leute, die sich einen Tag mit Sicherheitskräften in Naltschik schwere Gefechte lieferten. Mehrere dutzend Aufständische wurden getötet. Noch immer sitzen einige Jugendliche in Haft und warten auf ein Verfahren. Schwere Foltervorwürfe wurden gegen die Ermittlungsbehörden erhoben. Zwischen Unterwelt und exekutiver Gewalt sind die Übergänge in KB konturlos. An dem Aufstand 2005 waren auch radikale Islamisten beteiligt, der Gewaltausbruch hatte aber vor allem soziale Ursachen. Korruption und Vetternwirtschaft nehmen dem Großteil der Jugend jede Perspektive auf ein besseres Leben. „Wir gewöhnen uns an den Terror. Überall herrscht unvorstellbare Korruption. Arbeitsplätze werden verkauft, ansonsten gibt es nur Armut und Arbeitslosigkeit“, meinte eine Augenzeugin des jüngsten Anschlags gegenüber dem Internetportal Kavkaz-Uzel. Die Menschen in KB hätten begriffen, dass niemand sie brauche. „Volk und Obrigkeit leben in unterschiedlichen Welten.“ KLAUS-HELGE DONATH