Kapriolen unter Palmen

Das Hamburger Max-Planck-Institut prognostiziert künftigen Klimawandel in Norddeutschland: Die Sommer werden bis zum Jahr 2100 heißer, die Winter feuchter, und das Wetter insgesamt launischer

Von MARCO CARINI

Die Folgen des weltweiten Klimawandels werden jetzt auch für Norddeutschland konkret und kleinräumig greifbar. Detailliert wie nie zuvor prognostiziert das Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie die Klimaveränderungen bis zum Jahr 2100. Aufgrund eines neuen Rechenmodells kann der Großcomputer des Deutschen Klimarechenzentrums für zehn mal zehn Kilometer große Quadrate den regionalen Wetterwandel genauer simulieren als jedes Programm zuvor. Die daraus resultierenden Klimaprognosen wurden gestern vom Umweltbundesamt in Dessau vorgestellt.

Wächst der Ausstoß der Treibhausgase unvermindert weiter, so erwartet Norddeutschland heißere, trockenere Sommer und wärmere, verregnete Winter. In Hamburg etwa dürfte die Durchschnittstemperatur im Sommer zwischen 1,8 und 2,8 Grad steigen, im Winter dürfte das Quecksilber im Schnitt gar um zweieinhalb bis dreieinhalb Grad klettern.

Während in den Sommermonaten der Niederschlag um fünf bis 20 Prozent abnehmen wird, nimmt er in den übrigen neun Monaten zwischen 15 und 25 Prozent zu. Dabei sagen die Klimaforscher eine deutliche Zunahme extremer Wetterlagen voraus: Starkregen und Überschwemmungen werden ebenso zunehmen wie erdrückende Hitzewellen und tosende Stürme. Eine detaillierte Vorhersage solcher extremer Wetterereignisse wollen die Hamburger Klimaexperten allerdings erst im kommenden Herbst wagen.

„Profitieren werden von dieser Entwicklung in erster Linie die Tourismusbranche, die Landwirtschaft und die Binnenschifffahrt“, prognostiziert die Hamburger Klimaforscherin Daniela Jacob vom Max-Planck-Institut. Doch auch das nur mit Einschränkungen: Zwar könnte ein palmengesäumtes Grömitz das dann viel zu heiße Gran Canaria als sommerliches Urlaubsziel ablösen – doch würde dem Ostseebad ein mediterranes Klima kaum helfen, wenn es aufgrund des Klimawandels und des damit einhergehenden höheren Meeresspiegels seine gesamte Küste verliert. „Was nützt mir die Sonne, wenn der Strand weggespült wird?“,sagt der Kellenhusener Kurdirektor Martin Riedel.

Ähnlich sieht es in der Agrarwirtschaft aus: Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein freut sich bereits auf höhere Erträge, da sich „die Vegetationsphase für viele Pflanzen verlängern“ wird. Doch bei zunehmenden Extremwetterlagen – Dürre im Sommer, schwere Stürme im Herbst und Winter – ist wahrscheinlich, dass mehr Ernten gänzlich vernichtet werden.

Der Binnenschifffahrt hingegen drohen längere Ausfallzeiten, da viele Flüsse im Sommer auszutrocknen drohen, im Winter und Frühjahr aber wegen Hochwassers unpassierbar sein könnten. So wird die Elbe den Berechnungen zufolge in Ostdeutschland im Sommer kaum noch Wasser führen, im Winter das Land aber immer öfter überschwemmen.

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