Ungerechtfertigte Panik

betr.: Tschernobyl-Dossier, taz vom 22. 4. 06

Das Tschernobyl-Dossier ging mir doch ernsthaft gegen den Strich. Ich verstehe gut die emotionalen Verbindungen, die von der Kernkraft-Thematik ausgehen. Über Tschernobyl oder sogar die Kernkraft an sich ernsthaft zu urteilen, geht aber nach wie vor nur durch genaues Verstehen von Statistik, Strahlungsbiologie, Energiegewinnung sowie vieler vorhandener Studien hierzu. Das ist schade, auch für mich, aber das ist nun mal so. Das heißt im Wesentlichen auch, dass man sich darüber im Klaren sein muss, welche Zahlen und Fakten man miteinander vergleicht und warum. Beispiel: Ich sehe nicht, was ein Vergleich unseres jährlichen Atommülls mit dem freigesetzten Material in Tschernobyl mir sagen soll.

Egal wie erschreckt und beunruhigt man damals war (auch ich), nach 20 Jahren scheint es so, als ob die Gesamtstrahlendosis, die man als Deutscher durch Tschernobyl erfahren hat, weniger ist, als die Natur und der Kosmos uns ohnehin jedes Jahr bescheren (z. B. aus dem Physik-Journal der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, April 2006). Die Panik diesbezüglich war daher hierzulande gewissermaßen ungerechtfertigt, und die Gedanken, die man damals hatte, sind jetzt zu hinterfragen, bevor man sie neu auffrischt.

STEFAN KLEPSER, Berlin