In kleinen Schritten zurück

Die Bilanz der vergangenen Jahre ist zwar nicht makellos, aber ohne Frage beeindruckend. Seit der WM 2006 ist Marcell Jansen bei jeder Endrunde eines großen Turniers für Fußballnationalmannschaften dabei gewesen – mit einer Ausnahme. Bei der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine war der 27 Jahre alte Linksverteidiger des HSV aus der Ferne zum Zuschauen verurteilt gewesen. Aufgrund von Verletzungen, Positionswechseln bei seinem Klub, die ihn ins Mittelfeld rotieren ließen, und auch Formschwächen war der gebürtige Mönchengladbacher aus dem Blickfeld des Bundestrainers Joachim Löw geraten.

Jetzt sieht alles danach aus, dass der Rheinländer mit dem Spitznamen „Cello“ in acht Monaten zu einem weiteren Auftritt im Konzert der großen Fußballnationen kommen wird. Jansen hat sich für die WM 2014 dank konstanter Leistungen beim HSV und ansprechender Darbietungen in der Nationalelf in eine gute Position im Hinblick auf die Kaderbenennung gebracht.

Jansen ist nicht zuletzt wegen seiner Routine der logische Kandidat für die Problemzone im Löwschen Personalpuzzle. Hinten links gibt es einfach keinen solchen Souverän, wie es auf der rechten Abwehrseite der Münchner Philipp Lahm ist. Der Dortmunder Marcel Schmelzer hatte sich in den beiden Meisterjahren des BVB (2011 und 2012) für diese Aufgabe empfohlen. Im vergangenen Jahr unterliefen Schmelzer allerdings immer mal wieder zum Teil spielentscheidende Schnitzer. Schmelzer fehlt derzeit wegen eines Faserrisses.

Jansen dagegen arbeitete sich in einem schwierigen Jahr in kleinen Schritten zurück in den Kreis der besten deutschen Kicker. Sein Comeback nach zweieinhalbjähriger Pause gab er im März im WM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan (4:1). Er wurde in der 90.Minute eingewechselt und durfte noch 120 Sekunden spielen. Es folgten Einsätze bei den Freundschaftsspielen gegen Ecuador (4:2), die USA (3:4) und Paraguay (3:3).

„Ich bin wieder dabei, weil ich beim HSV wieder auf meiner angestammten Position hinten links gespielt habe. Das hat mir sehr gut getan“, sagte Jansen. Und er dürfte wissen, dass es bei seinen Leistungen Luft nach oben gibt. Beim 3:0 gegen Irland, mit dem sich die DFB-Auswahl für die WM 2014 qualifiziert hat, hätte Jansen noch etwas mehr Mut im Spiel nach vorne gut getan.

Am Dienstag, im letzten WM-Qualifikationsspiel in Schweden, dürfte Jansen von Bundestrainer Löw eine weitere Bewährungschance erhalten. Von der Perspektive WM 2014 wolle er sich aber „nicht verrückt machen lassen“, sagte Jansen. Schritt für Schritt gehe es voran. Mit dieser Strategie ist er zuletzt gut gefahren.  CHRISTIAN GÖRTZEN