Routineaufgabe erfüllt – und jetzt?

WM-QUALIFIKATION Beim 3:0 gegen Irland demonstriert die DFB-Elf ihre Offensivstärke. Doch reif für den WM-Titel ist das Team deshalb nicht zwangsläufig. Die Abwehr gibt Anlass zur Sorge

Die deutsche Offensive verbreitet Schrecken. Die Gegner haben es aufgegeben, mitzuspielen

AUS KÖLN ANDREAS RÜTTENAUER

Sie haben dann also nach dem Schlusspfiff ein Fass Kölsch in der Kabine geleert, das nicht viel größer gewesen sein soll „als eine Maß auf der Wiesn“, wie Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm nach dem 3:0 über Irland am Freitagabend sagte. Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft im Brasilien war geschafft. Nun durfte ein wenig gefeiert werden. Eine große Party wurde es nicht. Zu selbstverständlich war das Erreichte. Deutschland darf um den WM-Titel mitspielen. War doch eh klar. Und so geht die DFB-Elf nach einer überzeugenden Qualifikation in einer für sie gewiss nicht besonders schweren Gruppe ein wenig ratlos in die finalen Vorbereitungen auf das Turnier im kommenden Sommer.

Die acht Siege aus neun Qualispielen, die sich die Deutschen schon vor dem letzten Spiel am Dienstag in Stockholm gegen Schweden herausgespielt haben, wird gewiss niemand überbewerten, auch wenn Bundestrainer Joachim Löw nach dem Spiel noch einmal herausstrich, dass seine Mannschaft von Beginn an das Maß aller Dinge war in dieser Qualifikationsgruppe. Und er darf gewiss stolz darauf sein, dass sein Team auch dann spielerisch zu überzeugen vermag, wenn sich die Gegner in zwei dichten Abwehrreihen ganz weit hinten in der eigenen Hälfte formieren und nichts anderes wollen, als den Deutschen die Spielfreude zu vermiesen. Das ist immerhin eine der Erkenntnisse aus der Qualifikation. Die deutsche Offensive verbreitet einen derartigen Schrecken, dass es kaum ein Gegner mehr wagt, selbst das Spiel zu machen. Die Mannschaften haben es aufgegeben, mitzuspielen, sie ziehen sich immer weiter zurück. Joachim Löw geht davon aus, dass die meisten Gegner der Deutschen das in Brasilien genauso machen werden. Darauf gilt es die Spieler wie die Fans vorzubereiten, die in der torreichen heimischen Liga, in der durchschnittlich 3,31 Tore pro Spiel fallen, das Spektakel als Dauerzustand schätzen gelernt haben.

Das Lauf- und Tempospiel, das Löw über die Jahre gepredigt hat, ist längst abgelöst worden von einem Ballbesitzfußball, der zwar immer noch – vor allem wenn früh gepresst wird – dynamisch aussehen kann, dessen höchste Tugend indes die Geduld ist. Wie gut, dass Löw auf ein fußballerisch begabtes Mittelfeld zurückgreifen kann, dass die Monopolisierung des Ballbesitzes beherrscht wie kaum ein zweites auf der Welt. Und ein wenig scheint er sich schon abgeschaut zu haben, von Bayern Münchens Mittelfeldfetischisten Pep Guardiola, dessen Ideal es ist, möglichst viele Spieler in den Bereich zwischen Mittelfeldlinie und gegnerischer Strafraumgrenze zu positionieren.

Gegen Irland stand Sami Khedira nicht selten alleine vor der Abwehr weil sich sein nomineller Nebenmann auf der Sechs, Bastian Schweinsteiger, mit ins Mittelfeldgetümmel warf und sich sogar an der Stürmerrotation mit Mesut Özil, Toni Kroos, André Schürrle und Thomas Müller beteiligte. Dem Spiel ohne echten Stürmer in der Mitte wird wohl die Zukunft gehören. Joachim Löw jedenfalls hat gefallen, was er da im Freitag gegen Irland gesehen hat. Er hat schon angekündigt, an der Perfektionierung dieser Offensivvariante weiterarbeiten zu wollen.

Arbeit wartet auch bei der Organisation der Verteidigung, die gegen ein wahrlich nicht allzu spielstarkes Team aus Irland sage und schreibe zwölf Schüsse in Richtung Manuel Neuer zugelassen hat. Diesmal war es Per Mertesacker, dessen Reaktionslangsamkeit dazu geführt hat, dass sich die Blicke immer wieder auf Dortmunds selbstbewussten Innenverteidiger Mats Hummels richteten, der sich gegen Irland fast 90 Minuten lang warmgelaufen hat, um dann doch nicht eingewechselt zu werden. Auch nach dem Spiel war Hummels ein Blickfang und so manch einer wunderte sich, dass der so gar nicht mit seinen Kollegen feiern wollte, nach dem Schlusspfiff. Es war in diesem Moment zu spüren, dass die Debatte um die Wertschätzung der Spieler von Borussia Dortmund durch Joachim Löw, die so gerne von den BVB-Verantwortlichen geführt wird, noch mindestens bis zum Anpfiff des ersten WM-Spiels dauern wird.

Ob die Mannschaft dann in einem weltmeisterlichen Zustand sein wird, das wird wohl keiner mit Gewissheit sagen können. Die Gegner in der Qualifikation waren für derartige Schlüsse nicht gut genug. Vor zwei Jahren haben sich die Deutschen von einer perfekten Qualifikation regelrecht blenden lassen und haben sich schon mit dem EM-Pokal in Kiew gesehen, als in Polen und der Ukraine die Bälle noch gar nicht rollten. Immerhin hat der DFB mit Italien und England namhafte Testspielgegner für die Länderspieltage Mitte November verpflichtet, um ein wenig Spitzenfußballsimulation betreiben zu können. Aber nicht einmal ein winziges Fässchen Kölsch wird wohl in der Kabine angezapft werden, wenn diese Spiele gewonnen würden. Es sind eben nur Testspiele. Ob die deutsche Mannschaft wirklich Titelreife besitzt, wird man vor dem Turnier nicht mehr erfahren können.