Brandsatz im Asylbewerberheim

FLÜCHTLINGE Am Wochenende brannte es in einer Unterkunft mit 120 Bewohnern in Güstrow. Die Polizei spricht von einer neuen Qualität. Proteste auch in Thüringen

Schon im März marschierte die NPD gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft

VON ANDREAS SPEIT

GÜSTROW taz | Am frühen Samstagmorgen warf vermutlich ein Täter einen brennenden Feuerwerkskörper in den Keller einer Asylbewerberunterkunft in Güstrow. Die dort untergebrachten 120 Flüchtlinge hatten Glück: „Eine Gefährdung der Bewohner lag zu keinem Zeitpunkt vor“, sagt Stefan Qualmann, Polizeiführer vom Dienst in der mecklenburg-vorpommerschen Kreisstadt, der taz. Dennoch spricht die Polizei von einer „neuen Qualität“.

Wie die Polizei rekonstruierte, geschah Folgendes: Ein Wachmann des Heimes hörte am Samstag um 4.30 Uhr einen lauten Knall. Offenbar hatte jemand durch ein offenes Fenster einen brennenden Feuerwerkskörper in den Keller der Unterkunft geworfen. In der Folge entwickelte sich starker Rauch, die Hitze ließ einen leeren Wäschekorb aus Plastik schmelzen. „Die Beschaffenheit des Kellerraums verhinderte eine Ausbreitung des Feuers“, berichtet Qualmann. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass eventuell ein Anwohner gezündelt hätte, sagte der Beamte. „Wir ermitteln in alle Richtungen.“

Seit Juni wohnen 120 Menschen in dem ehemaligen Wohnheim der Deutschen Bahn. Bereits im März marschierte die NPD gegen die geplante Unterbringung der Flüchtlinge in Güstrow auf: „Deutschland den Deutschen, Asylbetrüger raus“, skandierte Stefan Köster, NPD-Landtagsabgeordneter und Landesvorsitzender. Anwohner, die der Demonstration vom Straßenrand zuschauten, meinten damals, den Flüchtlingen bräuchte man „keine komfortablen Wohnungen“ zu bauen. Die würden Sachen aus dem Keller klauen, Autoreifen zerstechen und Kinder verschleppen.

Im April besprühten vermutlich rechtsextreme Täter das Haus des parteilosen Güstrower Bürgermeisters Arne Schuldt mit der Parole „Lichtenhagen kommt wieder“ – eine Anspielung auf die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992. Auch in Rostock waren Feuerwerkskörper auf Asylbewerberheime geworfen worden. Die besondere Historie, sagt Qualmann, lege ein fremdenfeindliches Motiv in Güstrow nahe.

In der thüringischen Stadt Greiz machen Rechtsextreme ebenfalls seit Monaten gegen Flüchtlinge mobil. Am Freitag protestierten sie erneut gemeinsam mit Anwohnern gegen eine Flüchtlingsunterkunft. Seit dem 12. November sind in Greiz 52 Flüchtlinge aus Syrien in einem ehemaligen Berufschulinternat untergebracht. Gleich am Tag nach der Ankunft versammelten sich über 80 Menschen und forderten die Stadt auf, die Unterkunft zu schließen. Mit Fackeln und Megafonen steht seither jeden Freitagabend eine „Greizer Bürgerinitiative gegen das Asyl“ nahe der Unterbringung. Ein bekannter Rechtsextremer aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften, David K., führt den Protest an. „Der Protest hat sich manifestiert und professionalisiert“, beobachtet Nicole Schneider vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Thüringen.

Die Aktionen der Rechtsextremen stoßen aber auf Gegenwehr. Am Freitagabend standen sich in Greiz Gegner und Befürworter der Unterbringung gegenüber. Aus Gesprächen mit den Flüchtlingen weiß Holger Steiniger, Fraktionsvorsitzender des Linkspartei im Kreistag: „Die Menschen haben Angst.“