Langsamkeit in prächtiger Isolation

LÄSSIGE INTERPRETATIONEN In dem Nebenprojekt Dakota Days widmet sich der Berliner Elektronikproduzent Ronald Lippok zusammen mit dem italienischen Musiker Alberto Fabris sanften Klängen aus dem Pop-Mainstream

VON TIM CASPAR BOEHME

Ein bisschen ins Staunen kommt man dann doch. Normalerweise verbindet man mit dem Namen Ronald Lippok und seinen Bands To Rococo Rot und Tarwater diverse musikalische Off-Traditionen: New Wave (zutreffend), Elektronik (zutreffend), Krautrock (nicht so zutreffend) und Reduktionsexperimente im Stile der Neunziger (durchaus zutreffend). Aber Fleetwood Mac? Hätte er nicht den Italiener Alberto Fabris kennengelernt, wäre in dieser Frage wohl niemals eine nennenswerte Öffentlichkeit hergestellt worden. Jetzt liegt das Ergebnis unter dem Namen Dakota Days vor, und man kann sich auf ihrem Album mühelos davon überzeugen, dass das Duo Lippok/Fabris sehr viel für elegant-entspanntes Songhandwerk übrighat.

Un-okaye Schwächen

Musikalische Verbindungen zu Italien hält das Geschwisterpaar Robert und Ronald Lippok seit Längerem. Mit dem Pianisten Ludovico Einaudi sind die beiden als Whitetree unterwegs, auch auf seiner Solotournee begleiteten sie den Grenzgänger zwischen Klassik und Pop. Während dieser Zeit lernten sich auch Ronald und Alberto kennen: „Wir entdeckten, dass wir eine un-okaye Schwäche für die späten Fleetwood Mac, 10cc oder Yacht Rock wie Steely Dan hatten“, gesteht Ronald. Über das legendäre Album „Metal Box“ von Public Image Limited tauschte man sich genauso selbstverständlich aus wie über die Anmut in Fleetwood Macs Song „Gypsy“. Als Alberto von seinem Studio in Comerio, einem Dorf in Norditalien am Lago Varese, erzählte, versprach Ronald, eines Tages mit ihm dort Aufnahmen zu machen.

Im Juni 2008 war es dann so weit. Einst hatte Albertos Großmutter in diesem Raum ihre Küche, alles war etwas klein und eng. Das Schlagzeug mussten sie von dem befreundeten Musiklehrer ausleihen. Man improvisierte, benutzte, was an Instrumenten vorhanden war. Neben Gitarre, Bass und Schlagzeug sowie allerlei Elektronik kam auch ein afrikanisches Ngoni aus der Garage zum Einsatz. Mit diesem Dreisaiter spielten sie die bis dato eindeutig lässigste Coverversion von Kylie Minogues Hit „Slow“ ein – und machten dem Titel dabei alle Ehre. Auch die übrigen Stücke mit ihrer verspielten Zurückgelehntheit lassen nichts von der Anspannung erkennen, die das Arbeiten unter Zeitdruck und ohne bewährte Teamerfahrung wie bei To Rococo Rot für die zwei bedeutete. Man muss sich zudem wundern, wie sich zwei experimentell sozialisierte Musiker mit einer solchen Selbstverständlichkeit auf ein fast schon naiv anmutendes Popformat einigen konnten. Immerhin hat Fabris unter anderem mit Musikern wie dem einstigen US-Saxofonisten John Zorn gespielt, und die Klangwelten von Ronald Lippoks übrigen Projekten sind in der Regel karger und elektronischer.

Wein aus Venetien

Vielleicht hat der Wandel mit dem Ort zu tun, an dem die Aufnahmen entstanden sind. In der ländlichen Idylle mag die Fantasie eigenen Gesetzen gehorcht haben, beflügelt vom Eigenbau-Wein aus Veneto. Ähnlich idyllisch waren auch die Begleitumstände bei der Produktion des neuen Albums von To Rococo Rot. Die Brüder Lippok und Stefan Schneider reisten zum Aufnehmen zwar nicht nach Norditalien, dafür ins schwäbische Städtchen Scheer zu Jochen Irmler, seines Zeichens Keyboarder der Krautrocklegende Faust. „Es war für To Rococo Rot ein Novum, aufs Land zu gehen, genau wie bei mir und Dakota Days“, so Ronald. Der Unterschied war spürbar, angefangen damit, dass der Studioboss, der in einem Stück auch Orgel spielt, abends für die Musiker kochte. „Wenn du in Berlin was aufnimmst, gehst du in einen Club oder hörst ein DJ-Set. In Scheer waren wir in einer Art Isolation, ganz ähnlich wie bei den Aufnahmen in Comerio. Eigentlich wäre es ganz interessant, herauszufinden, wie das die Musik beeinflusst.“

■ Dakota Days: „Dakota Days“ (Ponderosa); To Rococo Rot: „Speculation“, „Forwardness Fridays EP“ (beide Domino)