Berater-Lobby setzt sich durch

Künftig sollen KundInnen von Versicherungen mehr Rechte erhalten: Die Verkäufer werden überprüft. Allerdings nicht alle: In Deutschland sollen künftig nur nebenberufliche Vermittler kontrolliert werden. „Die Vertreter-Lobby hat sich durchgesetzt“

von ANNIKA JOERES

Zwischen tausenden Versicherungen kann ein Mensch wählen. Wiederum hunderttausende Vermittler bieten sich an, den Dschungel dieser Branche zu lichten. Doch die Herkunft und Interessen dieser Personen bleiben bisher im Dunkeln. Versicherungs-Laien können jetzt aber hoffen: In Zukunft müssen nebenberufliche Vertreter besser qualifiziert sein. Die so genannte Vermittlerrichtlinie der EU sieht vor, dass Berater künftig besser überprüft werden können. Ab 2007 tritt sie mit großer Verspätung in Kraft – Deutschland hatte sich lange Zeit dagegen gewehrt, die Branche genauer unter die Lupe zu nehmen. Die eingeschränkte Umsetzung der Richtlinie wird von VerbraucherschützerInnen stark kritisiert.

Bislang wurde die Versicherungsvermittlung als eine gewerbliche Tätigkeit angesehen, die jedeR ohne besondere Voraussetzungen erfüllen konnte. Nach Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums vermitteln mehr als 500.000 Personen in Deutschland Versicherungen an KundInnen, Freunde und KollegInnen, manche von ihnen sind direkt bei einem Konzern angestellt, andere vermitteln privat oder nebenberuflich. Zum Beispiel verkaufen Kfz-Händler zunehmend Haftpflichtversicherungen, Sparkassenangestellte beraten über die Altersvorsorge.

Nach den EU-Vorgaben soll nun ein Vermittler verpflichtet werden, die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zu berücksichtigen und zu dokumentieren, warum ein bestimmtes Versicherungsprodukt empfohlen wurde. Zudem müssen Vermittler dem Kunden vor einem Gespräch mitteilen, ob sie unabhängig oder an einen bestimmten Versicherer gebunden sind. Doch diese für die Kunden positiven Berichtspflichten drohen mit dem Entwurf der Bundesregierung zu scheitern. So sollen Kunden etwa „freiwillig“ auf das Beratungsprotokoll verzichten können – dabei ist dies die entscheidende Grundlage zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüche. Zudem kann das Protokoll erst zusammen mit dem Versicherungsschein, also erst einige Zeit nach dem Gespräch, übersandt werden.

„Aus verbraucherfreundlichem EU-Recht ist ein für die deutsche Versicherungslobby maßgeschneiderter Ausnahmekatalog geworden“, sagt daher Edda Müller vom Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Auch künftig würden so die deutschen Haushalte überwiegend falsch und zu teuer versichert.

Deutschland hat die EU-Richtlinie auch an anderer Stelle verwässert: So werden hierzulande nur die so genannten ungebundenen Vermittler überprüft, also diejenigen, die mit mehreren Unternehmen kooperieren. Die gebundenen hingegen werden nach wie vor nicht kontrolliert, wenn der Arbeitgeber die Haftung übernimmt. „Die Bundesregierung ist vor der großen Lobby der Vertreter eingeknickt“, sagt Uwe Jansen, Geschäftsführer des Verbundes der Fairsicherungsläden. Die Kette wurde vor zwanzig Jahren als Genossenschaft gegründet und schreibt sich vor allem ihre Unabhängigkeit auf die Fahnen. „Der Verbraucher weiß immer noch nicht, welche Interessen der Vermittler verfolgt“, sagt Jansen. Dabei sei es für Laien wahnsinnig schwer, einen Einblick in die Materie zu erlangen. „Ich weiß nach wie vor nicht: Für wen arbeitet der oder die VertreterIn? Wie recherchiert er oder sie?“ Dabei würden oft weit reichende Entscheidungen getroffen, zum Beispiel bei einem jahrzehntelang geltenden Abschluss einer Altersvorsorge.

Dabei sind nicht nur die KundInnen, sondern auch die so genannten ExpertInnen überfordert: Nach einer Studie des Branchenkompass Versicherungen überfordert die Fülle rechtlicher Vorgaben etwa zu Steuern und Förderung inzwischen viele Vermittler. Der Beratungsbedarf steigt also – auf beiden Seiten.