„Firmen merken: Mädchen sind plitsch“

Heute ist wieder Girls‘ Day. Hamburgs früherer Frauensenatorin Krista Sager ist die Erfinderin. Vom Ruch der Emanzennummer habe sich der Tag befreit, sagt sie: Jungen haben beim Berufseinstieg längst ähnliche Probleme

taz: Frau Sager, heute ist wieder der „Girls‘ Day“, an dem Mädchen für Männerberufe und Jungs für Frauenberufe interessiert werden sollen. Simmt es, dass Sie den erfunden haben?

Krista Sager: Die Idee kommt an sich aus Amerika. Ich war 2001 für die Grünen Gleichstellungssenatorin in Hamburg und erfuhr von einer Mitarbeiterin, dass dieser Daughters Day, an dem die Eltern ihre Töchter mit zur Arbeit nehmen, in den USA eine erfolgreiche Sache ist. Daraufhin haben wir gemeinsam mit der Schulbehörde und Firmen den Töchtertag initiiert. Ich war damals mit einer Mädchengruppe bei Airbus, wo wir feststellten, dass in manchem Bereich nur Männer arbeiten, obwohl es einfache Tätigkeiten gibt, die Frauen auch können. Wären da Jungs dabei gewesen, hätten die sich so in den Vordergrund gedrängelt, dass bei den Mädchen die Idee, das kann ich auch, nicht aufgekommen wäre.

Wie war das Echo?

Unterschiedlich. Sehr positiv haben die Firmen reagiert. In den Medien gab es geteilte Reaktionen. In einer Zeitung gab es vorn großes Lob und im Lokalteil den Verriss. Für die war das eine doofe Emanzennummer. Auch bei den Lehrern kam das als neue Idee ‚von Oben‘ zunächst nicht gut an. Aber nachdem auch andere Länder sagten, die Idee ist gut, war die Sache akzeptiert.

Nun läuft der Girls‘ Day heute bundesweit zum fünften, in Hamburg gar zum sechsten Mal. Hat er was bewirkt?

Nach sechs oder fünf Mädchentagen kann man noch keine Veränderungen erwarten, die sich statistisch niederschlagen. Es ist heute immer noch so, dass die meisten Mädchen eine Ausbildung als Bürokauffrau, Verkäuferin oder Arzthelferin wählen. Aber der Girls‘ Day gibt den Mädchen Anregungen für Alternativen jenseits traditioneller Rollenmuster. Und, das ist ebenso wichtig, er rückt die Mädchen ins Zentrum der Aufmerksamkeit für die Firmen. Die haben durch den Besuch der Mädchen gemerkt, wie plitsch die sind.

Vielleicht denken die Schülerinnen heutzutage, Hauptsache irgendeine Lehrstelle.

Aber wenn der Horizont sich erweitert, steigen die Chancen auch besser zu verdienen. Als Friseurin kann man sich in Hamburg kaum eine Wohnung leisten. Man kann streiten, ob Frauen lieber mit Menschen arbeiten als mit Technik. Aber da frage ich mich, warum in Indien mehr Frauen technische Berufe lernen als bei uns. Und auch in der DDR gab es mehr Ingenieurinnen.

Im Gegenzug sollen jetzt auch Jungs für Frauenberufe interessiert werden.

Es ist ein Jammer, dass es so schwer ist, junge Männer für personenbezogene Berufe zu gewinnen. Gerade wo man weiß, dass die boomen werden, zum Beispiel in der Pflege. Aber ich sage jetzt nicht, alle Jungs müssen in Frauen-, und Mädchen in Männerberufe. Es geht darum, den Blick zu öffnen, damit es eine echte Wahlfreiheit gibt und nicht von Vornherein so eine Verengung. Wir haben damals den Einfluss der Eltern auf die Berufswahl untersucht und festgestellt, dass Eltern bei ihren Töchtern einer Zwei in Mathe weniger Bedeutung beigemessen als einer Zwei in Deutsch. Es wird schon in der Schulzeit selektiv wahrgenommen, was wir gut können.

Und was macht die Bundestagsabgeordnete Sager heute?

Ich lade Mädchen zum Girls day in Berlin ein. Es gibt sehr viele, die wissen wollen, was eine Politikerin so den ganzen Tag macht.

Gymnasiastinnen?

Nein. Gesamtschülerinnen.

Interview Kaija Kutter