Kita-Streik ohne Notdienst

GEW und ver.di rufen EinzieherInnen von allen 174 Kitas der städtischen Vereinigung zum Warnstreik auf. Davon sind 22.000 Kinder betroffen. Ver.di: Es geht um acht bis zehn Prozent weniger Lohn

von Kaija Kutter

Die Eltern von rund 22.000 Kita-Kindern müssen sich heute früh auf geschlossene Türen gefasst machen. Die Gewerkschaften ver.di und GEW haben die organisierten Beschäftigten zum ganztätigen Warnstreik in den 174 Kitas der stätischen „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“ aufgerufen. Anders als beim ersten Warnstreik von nur vier Kitas im März wurde diesmal kein Notdienst vereinbart.

„Ich kann nicht ausschließen, dass einzelne Kitas ganz zu sind“, erklärt Geschäftsführer Martin Schaedel. In den meisten Kitas, hofft er, werde „ein Teil nicht streiken“. Er habe am Montagnachmittag vom Streik erfahren und dies gleich an die Kita-Leitungen weitergegeben, damit sie die Eltern informieren.

„In der Kita, die ich besucht habe, hing heute keine Information an die Eltern aus“, berichtete gestern die Betriebsrätin Marina Jarchenholz. Entweder würden die Eltern noch nachmittags beim Abholen der Kinder informiert „oder sie drücken sich morgen früh an der Tür die Nase platt“. Nach Einschätzung von Jarchenholz ist der Streikwille auch bei den Nichtorganisierten groß. Sie seien empört, dass sie Gehaltseinbußen von bis zu 300 Euro hinnehmen sollen.

In der Frage, warum es keinen Notdienst gibt, schieben sich der bei ver.di zuständige Fachsekretär Guntram Wille und Geschäftsführer Schaedel gegenseitig die Verantwortung zu. „Wir haben darüber verhandelt, sind aber zu keinem Ergebnis gekommen, weil Schaedel dort so viel reinpacken wollte, dass der ganz normale Betrieb weitergeht“, berichtet Wille. Bereit sei man aber nur zu einem Notdienst für die Kinder, die „wirklich nicht anders betreut werden können“. Schaedel hält dagegen, er wisse aus Erfahrung, dass „ein Drittel bis ein Viertel der Eltern“ von einem Tag auf den anderen keine private Betreuung hinbekämen. Für die habe man einen Notdienst gewollt, „aber ver.di hat das abgelehnt.“

Ähnlich verworren ist der Tarifkonflikt an sich. Die Vereinigung hatte bislang höhere Kosten als andere Kita-Träger, unter anderem, weil sie Erzieher für ihren in einer Großstadt wie Hamburg besonders schwierigen Job nach Bundesangestelltentarif (BAT) V b bezahlte. Als Ende 2004 im Zuge von Kita-Einsparungen auch die Pauschalierung der Personalkosten beschlossen wurde, kündigte Schaedel die Mitgliedschaft in der Arbeitgeberrechtlichen Vereinigung Hamburg (AVH), weil er bis 2008 mit fünf bis sechs Millionen Euro weniger rechnet. Für Schaedel ist dies keine Sparmaßnahme, sondern der „Abbau eines Vorteils“. Für den GEW-Vize Jens Kastner hingegen geht es um die Abwehr einer „neuen Einkommensspirale nach unten“.

Seit Herbst haben ver.di und Vereinigung in zwei Runden über einen neuen Tarif verhandelt, eine dritte steht am Freitag an. „Eine Einigung ist nicht mal im Ansatz in Sicht“, berichtet Wille. So habe Schaedel zur „Vorbedingung“ gemacht, dass die Arbeitnehmerseite der Beendigung des Mitbestimmungstarifvertrags zustimmt, der die Rechte des Betriebsrates regelt. Wille: „Das ist mit uns nicht zu machen.“

Der Streik richtet sich aber in erster Linie gegen das Arbeitgeberangebot für die neue Gehaltsstruktur. Im Oktober wurde auf Bundesebene der alte BAT durch einen neuen Tarif für den öffentlichen Dienst ersetzt. Laut Wille möchte Schaedel „acht bis zehn Prozent weniger Gehalt“ zahlen, als den ErzieherInnen nach dem neuen Tarif zustünden. Da Wille selbst im Aufsichtsrat der Vereinigung ist, macht er Schaedel zum Vorwurf, sich nicht genug gegen die Pauschalierung gewehrt zu haben. „Er hat den Senat nur gebeten, nicht mehr als zehn Prozent zu kürzen.“ Man müsse der Politik klar machen, dass gute Kitas Geld kosten.

Schaedel wirft ver.di im Gegenzug vor, nicht ernsthaft verhandelt zu haben. „Wir hätten seit Herbst liebend gern kompakter verhandelt.“ Die Aufhebung des Mitbestimmungstarifvertrags etwa sei „keine Voraussetzung“, sondern nur ein „wichtiger Punkt“, über den man reden wolle. Dass ver.di einen Tag vor der dritten Gesprächsrunde streike, sei „für Eltern ärgerlich“.